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Eifel-Jagd

Eifel-Jagd

Titel: Eifel-Jagd
Autoren: Jacques Berndorf
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neuen
Schlangenwurzgewächsen, frisch gekauft im Kloster Maria Laach. Paul und Willi
standen mit den Vorderläufen auf den Steinen, und ich gehe jede Wette ein, daß
sie sich halbtot lachten.

    Den Hauch einer Sekunde lang wollte ich in den Morast steigen,
um Satchmo zu retten, aber mir kam der Gedanke aller fehlgeleiteten Erzieher zu
Hilfe, der da lautet: Soll er selbst zusehen, wie er da wieder rauskommt!

    Zwei Dinge passierten gleichzeitig: Satchmo wurde von Panik und
reinem Entsetzen gepackt und machte einen Satz vorwärts zur Teichmitte hin. Das
endete damit, daß er runde acht Zentimeter zurücklegte, den Kopf nur noch
mühsam über Wasser halten konnte und augenblicklich zu schreien begann. Es
klang, als quieke ein Ferkel um sein Leben.

    Wieder dachte ich, ich müsse mit einem Sprung meinem Jungkater
das Leben retten, aber der hatte längst beschlossen, sich selbst zu helfen. Er
wandte sich nach links, querte in bravouröser Hundepaddelmanier einen etwa vierzig
Zentimeter breiten und ebenso tiefen Wassergraben und versank dann erneut in
Schlamm und Modder. Er vernichtete gekonnt ein Büschel Wasserminze und ein
kleines blühendes Vergißmeinnicht.

    Ich hatte plötzlich einen trockenen Mund, weil mir einfiel, daß
Satchmo sich mit aller Gewalt an das Leben krallte. Und das bedeutete, er
krallte sich mit aller Gewalt in der Teichfolie fest. Das wiederum bedeutete
bei seinen rasiermesserscharfen Krallen ...

    Ich hauchte ein mannhaftes: »Oh Gott!« und hüpfte in die Pampe.

    Da Teichfolie, wenn denn knappe fünf Zentimeter Moorerde
darüberliegen, sehr glatt ist, schlug ich lang neben meinen Jungkater in den
Modder und hatte augenblicklich den Mund mit einem großen Flatschen Schwimmfarn
und einer guten Prise Entengrütze voll – eine Mischung, die ich seither selbst
bei Hungersnot nur stark eingeschränkt empfehlen kann.

    Mein eleganter Hechtsprung ins Biotop hatte selbstverständlich
Folgen für Satchmo. Der erlitt nämlich den Schock seines jungen Lebens und
bekam durch meine Biomasse den notwendigen Schub, den Teich zu verlassen.
Schnurstracks erreichte er die Rankende Kapuzinerkresse (Prachtmischung, bis zu
drei Meter lang) an der jungen Eßkastanie und benutzte sie samt der feurig
orangefarbenen, roten und gelben Blüten als provisorisches Handtuch. Laut
maunzend kletterte er auf die Umrandungssteine und sah auf mich herab, der ich
schambedeckt in dem blasenwerfenden Morast lag.

    Gerade, als ich dachte: Wie gut, daß niemand zuschaut, hörte
ich das unterdrückte Lachen meines Nachbarn Rudi Latten, der seinen Kopf ganz
vorsichtig über die Mauerkrone schob. Dämlicherweise fragte ich schrill und
empört: »Ja, und? Was ist?«

    Rudi antwortete nicht, lachte nur lauter, bis auch ich lachen
mußte. Dann rauchte ich eine Pfeife und er seine Zigarette, und irgendwann ließ
ich höchst geschickt einfließen: »Tja, Dinah ist in der Nacht noch zu ihren
Eltern verschwunden. Ihr Vater ist wohl sehr krank.«

    Etwas elegisch reflektierte Rudi: »Irgendwann erwischt es uns
alle mal.«

    Ich hatte panische Angst davor, in mein leeres Haus zu gehen.
Wenn ich ein Oberhemd aus dem Schrank fische, dachte ich etwas wirr, werde ich
auf die leeren Regale starren, die sie hinterlassen hat. Ein Tag ganz ohne sie,
eine Woche, ein Monat, ein Jahr. Sie ließ mich in einer großen
Fassungslosigkeit zurück und nichts, aber auch gar nichts war Trost.

    Ich betrat dann doch das Haus, säuberte mich und flüchtete in
mein Arbeitszimmer. Die Tür schloß ich ganz schnell hinter mir, als lauere im
Treppenhaus eine höllische Gefahr.

    Ich kannte mich einigermaßen und wußte, daß jetzt nichts so
gefährlich sein würde wie ins Grübeln zu geraten. Ich mußte irgend etwas tun,
mit irgendwem telefonieren, lange aufgeschobene Briefe schreiben, mir Gedanken
um mögliche Reportagen machen, etwas in Bewegung setzen, was mich ablenken
würde, plaudern. Plaudern? Grauenhafte Tätigkeit, etwas für Dummschwätzer,
etwas nach dem Motto: »Mein Gott, geht mir das Wetter auf die Nerven!« Mit wem
konnte ich reden? Wem konnte ich sagen: »Dinah ist mir abhanden gekommen!«?

    Es war elf Uhr, als ich Emmas Volvo auf den Hof fahren hörte.
Emmas Volvo ist nicht zu überhören, da sie ständig mit zuviel Gas in einem zu
kleinen Gang fährt.

    Ich mußte eingeschlafen sein und rappelte mich
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