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Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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weggeschickt zu werden. »Gnädige Herrin, bitte nur noch diese letzte Frage.«
    Die Witwe betrachtete die junge Nonne unbeweglich. Nach einer Pause sagte sie: »Ich mache mir nur Sorgen um meine Tochter. Jetzt wird es sehr schwierig, eine gute Partie für sie zu finden. Wo bekomme ich eine gute Mitgift her? Wenn ich dafür das Geschäft verkaufen muss, wovon werde ich dann aber leben? Ich weiß es nicht.«
    Agnes machte einen Knicks. »Herzlichen Dank für Eure Geduld und Eure offenen Antworten. Wir werden Euch nun allein lassen, damit ihr Euch von der Anstrengung erholen könnt. Gehabt Euch wohl.«
    Schnell wandte sie sich zur Tür und huschte hinaus. Der Hauptmann der Stadtwache brauchte einen Augenblick, bevor er die Situation erfasste. Er hatte die ganze Zeit nur fasziniert zugehört. Jetzt sprang er ebenfalls auf, verneigte sich kurz vor der Händlersfrau und eilte hinter Agnes her.

Der Ballen
    Ludolf schaute verlegen zur Seite. Ihm war es unangenehm, dass der Lagerverwalter seinen Wutausbruch miterlebt hatte. Diese Agnes kostete ihn Nerven – egal ob sie nun da war oder nicht. Erst vermisste er sie so sehr, dass es ihn fast alle Lebensfreude kostete, und nun reizte sie ihn zur Weißglut.
    Er rieb sich sein schmerzendes Handgelenk. Ein grandioser Erfolg!
    »Wurde der Boden hier nach dem Leichenfund untersucht?«, fragte er Bernhardt.
    »Nicht, dass ich wüsste. Wir ha’m den Herrn abgeschnitten, der Bader hat nur noch festgestellt, dass er tot ist, dann wurde er weggebracht.«
    Ludolf steckte die gefundenen Fellbüschel aus den Ritzen unterhalb des Fundortes in einen kleinen Lederbeutel. Dann holte er die Leiter und lehnte sie an den Balken neben dem Seil. Er schnitt die Reste des Seils ab, um den Balken zu untersuchen. Das Seil war einfach darumgebunden worden; am Holz waren keine Abschabungen zu sehen, die darauf hindeuten würden, dass jemand einen Körper daran hochgezogen hatte. Wenn der Händler schon tot gewesen war, hätte er von mindestens zwei anderen hochgetragen und dann in die schon befestigte Schlinge gesteckt werden müssen. Oder wurde er noch lebend dazu gezwungen? Gab es einen Kampf? Das könnte der Bader sagen. Oder war es doch Selbstmord? Dafür sprachen natürlich die verschlossene Luke und die hochgezogene Leiter. Der Händler hatte verhindern wollen, dass er zu schnell gefunden und noch gerettet würde. Aber wo waren dann Stuhl oder Podest, von denen er heruntergesprungen sein konnte? Die Leiter lag ja zu weit weg, wie Bernhardt gesagt hatte.
    Ludolf holte den kleinen Beutel wieder hervor und entnahm die Fellbüschel. Er zeigte sie dem Lagerverwalter. »Was ist das für eine Fellart?«
    Bernhardt schaute sie nur kurz an und sagte dann nervös: »Das ist bestimmt vom Dachs. Der hat ein weiches, weißes Unterfell und darüber das graue und schwarze Deckfell. Das verkauft sich ganz gut.«
    »Ach ja! Hildegard von Bingen schrieb darüber.
Aber es ist auch eine große Kraft im Fell des Dachses, denn daraus mach einen Gürtel, und umgürte dich damit, und alle Krankheit wird in dir aufhören. Und eine gefährliche Krankheit wird dich in dieser Zeit nicht befallen
. Ein Ballen mit Dachsfellen lag am Morgen nach dem Tod Bodes im Hof, nicht wahr?«
    Der Lagerarbeiter war völlig verblüfft und trat einen Schritt zurück: »Wie … äh … woher wisst Ihr?«
    Ludolf hielt ihm die gefundenen Haarbüschel entgegen. »Die lagen genau unter dem Seil. Wegen des Regens werden dort ja keine Ballen gelagert, aber vor Kurzem muss da einer gelegen haben. Der Händler Bode nahm sich einen und legte ihn hierhin. Durch das Geschiebe beim Heraufsteigen blieben diese Fellstückchen an den Holzdielen hängen. Dann stieß Bode den Ballen weg und erhängte sich. Wahrscheinlich rollte der Ballen dabei gegen die Luke, diese wurde durch die Wucht des Ballens aufgeschlagen, und der Ballen fiel hinaus. Oder Bode hatte die Tür schon vorher geöffnet, um mehr Licht zu haben. Genauso, wie Ihr das vorhin gemacht habt.« Er grübelte. »Oder nein. Das wohl doch nicht. Bode hat sich nachts aufgehängt. Also muss der Ballen die Tür aufgeschlagen haben.«
    Der Lagerverwalter sah aus, als hätte man ihn gerade beim Kirschenklauen erwischt. Verlegen strich er sich durch seinen Bart und sah auf seine Schuhe hinunter.
    »Und?«, fragte Ludolf.
    »Nun … Ich denke … Ihr habt recht.« Mit leiser Stimme erzählte Bernhardt, was sich am Mittwochmorgen vor der Entdeckung des toten Händlers ereignet hatte. Er war wie immer der
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