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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition)
Autoren: Katrin Seddig
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dich», sagt er.
    «Du liebst mich nicht, du weißt überhaupt nicht, was das ist!» Sie weiß selbst nicht, was das ist. Das ist das Blöde. Sie weiß alles nur aus Filmen. Wie der Vater.
    «Du liebst mich auch.»
    «Ich liebe dich?» Ava könnte heulen. Warum hat sie plötzlich so was am Hals? Warum steckt sie plötzlich in so was Bescheuertem drin? Es kann doch alles nur ihre eigene Schuld sein, wieder mal.
    Danilo hüpft im Schuppen rum. «Love. Ich bin Love. Du bist Love.»
    «Hör auf damit! Und wehe, du erzählst das jemandem!», sagt Ava.
    «Doch, das erzähle ich allen», sagt er.
    Die Tür öffnet sich, und die Mutter erscheint mit einer Taschenlampe in der Hand. «Danilo? Danilo?»
    «Nein. Otac. Er ist zurückgekehrt, in den Mäusestall.»
    «Du sollst nicht Spaß machen damit!»
    «Ich habe den Vater zerstampft!»
    «Was?»
    Ava starrt die Mutter mit der Lampe an. Wie wird sie reagieren? Wie würde ihre eigene, dicke, liebe Mutter reagieren, wenn sie den Vater zerstampft hätte?
    «Ich habe den Vater zerstampft, damit du es weißt.»
    Die Mutter beleuchtet mit ihrem schwachen gelben Strahl den Boden. «Du bist ein Teufel, du bist ein Teufel! Wenn er noch da wäre, würde er dir Schläge geben!»
    «Er ist nicht da», sagt Danilo, «und er kommt auch nicht mehr.»
    «Mir ist es hier zu strange», flüstert Ava und verlässt den Hof.
    «Ava, Liebste, schlaf gut!», ruft ihr Danilo hinterher.
    Sie geht schneller. Sie geht zwischen den klaren, hellen Straßenlaternen nach Haus. Sie will nicht mehr zurück zum Osterfeuer. Sie will in ihre Küche und etwas Warmes trinken und das Radio anmachen und den Kühlschrank summen hören und die Fotos über der Spüle betrachten.
    Das Osterfeuer ist anders geworden. Die Leute sind anders geworden. Was ist nur los?
    Sie kocht sich Tee und hört im Radio die Nachrichten. Sie denkt an Danilos Mutter. Sie trug dunkle Hosen in Gummistiefeln, ihr Haar war hochgesteckt und ihr Gesicht knochig. Wenn Avas Vater verschwinden würde? Im Krieg oder anderswo?
    Im Regal stehen seine Bücher, im Schrank seine Filme und in der Küche sein Rotwein, seine Jacke hängt an der Garderobe. Der Vater kann nicht weg sein, im Krieg, weil er da ist. Weil er beim Osterfeuer ist und alle verärgert, die Mutter, die Leute im Dorf und auch sie. Der Vater ist ein Spinner. Aber er ist da und nicht tot oder im Krieg. Das könnte er auch nicht. Er könnte nicht schießen, er würde im Weg stehen und den anderen Soldaten etwas über das Töten erzählen. Obwohl er über das Töten nichts wüsste. Vielleicht ist das nicht das Schlechteste an ihm. An ihm ist sowieso einiges gut. Er macht ihr keine Vorschriften, so wie die Väter anderer Mädchen. Wenn sie etwas will, dann sagt er immer: «Hast du dir das überlegt, mein Mädchen, ob du das auch wirklich aus deinem Herzen heraus willst?» Sie hat, seit sie klein war, immer überlegt, ob sie wirklich, aus ihrem Herzen heraus genau das wollte, was sie wollte. Sie hat ganz in ihr Herz hineingefühlt, hat versucht, die Entscheidung aus diesem schlagenden Organ herauszuziehen. Das ist recht schwer gewesen. Vor allem, wenn sie einfach nur in die Disco wollte.
    Trotz seiner Nutzlosigkeit für den Haushalt und das Leben hängt die Mutter sehr am Vater, davon ist Ava überzeugt. Und die Entscheidungen über die Dinge, die Ava tun oder nicht tun darf, überlässt sie meist ihm. Der Vater hängt ebenso an der Mutter wie sie an ihm. Beide hängen aneinander wie Dick und Doof – sagt Avas Schwester Petra. «Die Alten sind wie Dick und Doof.» Obwohl der Vater keinesfalls Doof sein kann, denn doof ist er nicht. Er ist ein sehr kluger Mann. Die Eltern sind noch irgendwie aneinander interessiert, Petra meint, sie bumsen noch. Ava verzieht bei solchen Worten das Gesicht, sie will über die Eltern nicht auf diese Art und Weise nachdenken, aber Petra wiederholt dann absichtlich und vergnügt: «Die bumsen noch, Dick und Doof, die sind noch heiß, kannst froh sein, wenn nicht noch ein Schwesterlein bei rauskommt.»
    Ava heißt nach einer Filmschauspielerin, nach Ava Gardner. Das war der Wunsch vom bekloppten Vater. In dem Zusammenhang ist immer die Rede vom bekloppten Vater, denn die Mutter war dagegen. Aber die Abmachung war, dass er den zweiten Namen bestimmt, den ersten hat die Mutter bestimmt, da ist Petra bei rausgekommen, kann man nichts gegen sagen, aber Ava ist doch ein viel besserer Name. Ava Gardner ist eine schöne, eine sehr, sehr schöne und sehr elegante Frau
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