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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Autoren: Edzard Reuter
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Folge, dass die Bürgerinnen und Bürger beim besten Willen hinter den Wolken von Komplikationen keine tragende Idee mehr zu erkennen vermögen.
    Traurig, aber wahr: Die Frage liegt – wie gesagt – nahe, ob diejenigen, die heute in der Verantwortung stehen, glaubhaft zu führen, nicht in Wirklichkeit zunächst einmal daran denken, wie sich ihr Handeln wohl auf die künftigen Wahlchancen ihrer jeweiligen Parteien – oder ihre eigenen – auswirken könnte. Genau hier aber findet sich die Begründung, warum Persönlichkeiten wie Jean Monnet eine bleibende geschichtliche Leistung vollbracht haben – eine Feststellung, bei der durchaus Zweifel angebracht sind, ob sie eines Tages auch auf eine Mehrzahl der im Augenblick handelnden Personen zutreffen wird.
    Ganz und gar unberührt von unseren natürlichen Begabungen wird das Auf und Ab unseres Lebens, ob wir es wollen oder nicht, immer wieder durch Zufälligkeiten geprägt. Bei Jean Monnet waren es anfänglich vor allem die besonders ausgeprägte Vorliebe wohlhabender Engländer für französische Cognacs (die sie als »Brandy« bezeichnen). Sie führte dazu, dass ihn seine Tätigkeit als Spirituosenhändler schon frühzeitig in London, in der englischen Sprache und in den Lebensgewohnheiten der »upper class« heimisch werden ließ. Ohne diesen Eckpunkt, den er dem Zufall seines Herkommens zu verdanken hatte, wäre vermutlich sein ganzes weiteres Leben anders verlaufen, wäre aus dem kleinbürgerlichen französischen Provinzkaufmann nicht der Architekt eines der größten politischen Projekte der Geschichte geworden – eben des Projektes eines geeinten Europa.
    So aber öffneten ihm der Zugang und die Verbindungen zu einer schnell wachsenden Zahl von politisch maßgeblichen Persönlichkeiten schon im Verlauf des Ersten Weltkriegs die Chance zu einer ungewöhnlichen Karriere. Er nutzte sie, in- dem er bis ans Ende seines Lebens mit nie nachlassender Konsequenz daran arbeitete, sich rund um die Erde etwas aufzubauen, was sich Jahrzehnte später auch hinter dem sonst kaum erklärlichen politischen Erfolg von Helmut Kohl als deutschem Bundeskanzler verbergen sollte. Herbert Henzler, früher ein führender Manager der Unternehmensberatungsfirma McKinsey, hat es in seiner Autobiografie nachgerade liebevoll als entscheidende Grundlage für das eigene geschäftliche Wirken und dessen Erfolg beschrieben: ein zunehmend enger gestricktes Netzwerk von persönlichen Beziehungen.
    Es begann damit, dass Monnet gleich nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs den Auftrag bekam, mit Dienstsitz in London die französischen Interessen in einer gemeinsamen Kommission der westlichen Alliierten zu vertreten, die für die Steuerung und Koordinierung des für die Ernährung der Bevölkerung benötigten Importbedarfs von Nahrungsmitteln – insbesondere von Weizen – zuständig war. Eng zusammen arbeitete er dabei mit der berühmten amerikanisch-kanadischen Hudson Bay Company, zu der das Unternehmen seiner Familie schon seit längerer Zeit geschäftliche Beziehungen unterhielt – worin man übrigens ohne weiteres eine der vielfältigen, für den erfolgreichen Lebensverlauf von Monnet charakteristischen Eigenheiten festmachen kann: den Mangel an übertriebenen Skrupeln (oder gar die Selbstverständlichkeit), öffentliche Verantwortung mit der Wahrnehmung privater Interessen zu verquicken.
    Kaum überraschen kann es da, dass er am Ende des Krieges auf französischer Seite unmittelbar in die Verhandlungen zum Abschluss eines Waffenstillstands – und gleich darauf auch des Friedenvertrags von Versailles – eingebunden wurde. Die nächste Stufe zum Ausbau seines weltweiten persönlichen Netzwerks schloss sich unmittelbar an, als er auf französischen Vorschlag zum stellvertretenden Generalsekretär des neu gegründeten Völkerbunds mit Sitz in Genf gewählt wurde. Nach zwei Jahren war freilich Schluss mit dieser Aufgabe. Die Familienfirma musste vorgehen, denn sie stand kurz vor der Pleite. Nach vielen Mühen gelang ihm die Rettung. Der nächste Wechsel folgte auf dem Fuß. Amerikanische Bankiers, die Monnet während seiner Zeit beim Völkerbund kennengelernt hatte, beauftragten ihn mit dem Aufbau einer europäischen Filiale. Bald konnte er sich selbst an dem neuen Institut beteiligen. Anleihen osteuropäischer Staaten führten dazu, dass er sich bald auch in Polen und Ungarn wie in seiner Westentasche auskannte. In kurzer Zeit wurde er so zum gefragten Bankier, der über engste Beziehungen zu
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