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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
Autoren: Beauman Ned
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genommen, der wegen der Trennung von einer Frau seine Vaterstadt und all seine frühen Erfolge zurückgelassen hat? Nicht einmal wegen eines Todesfalles, nicht einmal wegen einer Scheidung, sondern bloß wegen einer Trennung? Ist das rational?
    MR LOESER : Völlig rational, jawohl. Ich bewundere Menschen mit einer solchen Charakterstärke. Wenn man ein totes Stinktier im Dach hat, muss man manchmal das ganze Haus aufgeben.
    DER CHEFERMITTLER : Wenn Sie nicht mehr als Bühnenbildner arbeiten, wie sichern Sie Ihrer Frau und sich dann den Lebensunterhalt?
    MR LOESER : Während des Krieges waren wir die meiste Zeit über beinahe mittellos. Als wir miteinander durchgebrannt sind, hat Mildreds Vater sie enterbt. Aber dann gab es einen rückwirkenden richterlichen Beschluss, er sei nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und könne sein Testament nicht ändern.
    DER CHEFERMITTLER : Wie das?
    MR LOESER : Gorges bereits erwähnte ontologische Agnosie ist in ihr unausweichliches Endstadium eingetreten. Inzwischen muss er nur ein gesprochenes Wort hören, und schon glaubt er, vor sich zu sehen, wofür das Wort auch immer steht. Irgendwie, als wäre seine Krankheit so seltsam geworden, dass sie schon wieder langweilig ist – man kann ihn kaum noch von einem x-beliebigen alten Irren unterscheiden. Nicht einmal Woodkin kann noch mit ihm reden, nur noch in völligen Abstraktionen, wie in schlechter metaphysischer Lyrik. Mildred besucht ihn gelegentlich in Pasadena.
    DER CHEFERMITTLER : Die beiden haben sich wieder versöhnt?
    MR LOESER : Ja. Er sagt, er habe sein Testament nur geändert, weil er wollte, dass sie zurückkommt, und er hat ihr vergeben, dass sie fortgegangen ist. Aber er nennt mich noch immer Krauto. »Krauto, mein Schwiegersohn«.
    DER CHEFERMITTLER : Erzählen Sie uns jetzt bitte von den Umständen, unter denen Sie Ihre Vorladung erhalten haben.
    MR LOESER : Ich saß mit meiner Frau beim Abendessen, und es klingelte, und da war ein Mann, der sagte, er sei ein United States Deputy Marshal. Er wolle mir irgendeine Art Schrieb übergeben. Ich gab ihm kein Trinkgeld. Meine Frau und ich setzten uns hin, und ich bat sie, ihn mir vorzulesen.
    DER CHEFERMITTLER : Sie konnten ihn nicht selbst lesen?
    MR LOESER : Ich wollte mein Steak essen. Aber dann sagte sie etwas von Kongress und unamerikanischen Umtrieben und etwas von nach Washington fahren und aussagen, also habe ich sofort das Besteck fallen lassen und ihr den Schrieb aus der Hand gerissen.
    DER CHEFERMITTLER : Warum waren Sie so alarmiert?
    MR LOESER : Ich hatte seit ein paar Wochen mit einem Bibliothekar von der Library of Congress korrespondiert, ihres Exemplars von Mitternacht in der Schwesternschule wegen. Ich hatte mich als Wissenschaftler von der Columbia University ausgegeben, aber in Wahrheit wollte ich nach Washington fahren, nachts frech in die Bibliothek einbrechen und das Buch stehlen. Als die Vorladung eintraf, war meine erste Vermutung, dass mein Plan aufgedeckt worden war – auf Wegen jenseits meiner Vorstellungskraft, da ich ja niemandem etwas davon erzählt hatte – und man mich vor Gericht stellen wollte. Ich war ratlos. Ich starrte einfach nur schweigend die Vorladung an. (Mir ist noch nie jemand begegnet, der mit langem, unerwartetem Schweigen besser umgehen kann als Mildred.) Schließlich war meine Frau mit dem Essen fertig und zündete sich eine Zigarette an. »Wir müssen nach Washington«, sagte ich, kieksend wie im Stimmbruch.
    DER CHEFERMITTLER : Was hat sie geantwortet?
    MR LOESER : Sie hat gleichzeitig die Augen verdreht und den Zigarettenrauch aus dem Mundwinkel geblasen, als würde ihr ganzes Gesicht nach rechts gezogen. Das kommt nur einmal alle paar Wochen vor, der Periodizität der beiden Vorgänge wegen, und ich finde es ausgesprochen schön.
    DER CHEFERMITTLER : Noch schöner als ihr Lächeln?
    MR LOESER : Ja. Sie lächelt aber sowieso nicht viel. Außer wenn sie Krazy Kat liest.
    DER CHEFERMITTLER : Was ist Krazy Kat ?
    DER VORSITZENDE : Ein Comic-Strip aus der Zeitung, glaube ich.
    MR LOESER : Von George Herriman, ja. Im vergangenen Jahr habe ich ihr auf Empfehlung des Buchhändlers Wallace Blimk eine 192-seitige Krazy-Kat -Anthologie geschenkt, die in New York bei Henry Holt and Company erschienen war, mit einer Einführung von E. E. Cummings. Ich habe nie verstanden, was daran so komisch ist, habe sie aber beim Nach-Hause-Kommen oft mit dem Buch in einem Sessel ertappt, schniefend und zerzaust und mit rotem Gesicht wie
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