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Eden

Eden

Titel: Eden
Autoren: Stanislaw Lem
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ein kleiner blauer Funke in den muschelförmig zusammengelegten Händen des Koordinators. »Strom ist da«, sagte er. »Eine Glühbirne her.« Sie fanden eine heil gebliebene im Alarmsignal über der Seitenarmatur. Ein grelles elektrisches Flämmchen erhellte den Steuerraum, der wie ein Teil eines schräg ansteigenden Tunnelrohres mit kegelförmigen Wänden wirkte. Hoch über ihnen war in dem, was jetzt die Decke darstellte, eine verschlossene Tür zu sehen. »Über sieben Meter hoch«, sagte der Chemiker melancholisch. »Wie kommen wir bloß da hinauf?«
    »Ich habe im Zirkus mal eine lebende Säule gesehen - fünf Menschen, einer auf dem anderen«, schlug der Doktor vor. »Das ist für uns zu schwer. Wir müssen über den Fußboden dorthin gelangen«, entschied der Koordinator. Er ließ sich vom Chemiker das Messer geben und schnitt damit breite Kerben in den Plastikbelag des Bodens. »Stufen?« »Ja.«
    »Warum hört man den Kybernetiker nicht?« fragte auf einmal der Ingenieur verwundert. Er saß auf den Trümmern der geborstenen Schalttafel und hielt ein Amperemeter an die herausgezogenen Kabelschnüre. »Er ist Witwer geworden«, erwiderte der Doktor lächelnd. »Was ist ein Kybernetiker ohne Automaten?«
    »Die wickle ich noch«, meldete sich der Kybernetiker. Er blickte in die Öffnungen der ausgeschlagenen Bildschirme. Das elektrische Flämmchen färbte sich langsam gelb, es wurde immer dunkler und blasser. »Die Akkumulatoren auch?« murmelte der Physiker. Der Ingenieur erhob sich. »Sieht so aus.«
    Eine Viertelstunde später rückte die aus sechs Personen bestehende Expedition in die Tiefe oder vielmehr in die Höhe vor. Zuerst gelangte sie in den Gang und von da in die einzelnen Räume. In der Kajüte des Doktors fanden sie eine Taschenlampe. Der Doktor hatte eine Vorliebe für allerlei überflüssige Dinge. Sie nahmen sie mit. Überall trafen sie Verwüstungen an. Die an den Fußböden befestigten Möbel waren unbeschädigt, aber aus den Apparaten, aus dem Werkzeug, aus den Hilfsvehikeln und aus dem übrigen Material hatte sich eine unbeschreibliche Grütze gebildet, in der sie bis über die Knie wateten.
    »Und jetzt wollen wir versuchen, hinauszukommen«, erklärte der Koordinator, als sie sich wieder im Gang befanden. »Und die Raumanzüge?« »Die sind in der Druckkammer. Ihnen wird nichts zugestoßen sein. Aber wir brauchen gar keine Raumanzüge. Eden hat eine erträgliche Atmosphäre.« »Ist überhaupt jemals einer hier gewesen?« »Ja. Vor zehn oder elf Jahren. Die kosmische Sonde einer Suchpatrouille. Damals, als Altair mit seinem Raumschiff umgekommen ist. Erinnert ihr euch?« »Aber kein Mensch.« »Nein, keiner.« Die Innenklappe der Schleuse befand sich schräg über ihren Köpfen. Allmählich schwand der erste eigenartige Eindruck, der dadurch entstanden war, dass sie die vertrauten Räume in einer völlig anderen Lage durchquerten - der Fußboden und die Decke waren jetzt die Wände. »Ohne lebende Leiter kommen wir wirklich nicht hinaus«, sagte der Koordinator und beleuchtete die Luke mit der Taschenlampe des Doktors. Der Lichtfleck huschte über die Ränder. Sie war hermetisch verschlossen. »Sieht nicht übel aus.« Der Kybernetiker hatte den Kopf weit in den Nacken gelegt.
    »Freilich.« Der Ingenieur überlegte: Die ungeheure Kraft, die die Träger dermaßen zusammengepresst hatte, dass die Schalttafel zwischen ihnen geborsten war, konnte natürlich auch die Luke verkeilt haben. Doch er behielt den Gedanken für sich. Der Koordinator schielte zum Kybernetiker hin und wollte ihm schon vorschlagen, den Rücken zu beugen und sich an die Wand zu stellen, als ihm das Eisengerümpel einfiel, das sie im Automatenraum gesehen hatten. Er sagte zum Chemiker: »Stell dich breitbeinig hin, mit den Händen auf den Knien, so hast du es besser.«
    »Ich habe schon immer davon geträumt, einmal im Zirkus aufzutreten«, versicherte der Chemiker und bückte sich. Der Koordinator stellte ihm den Fuß auf die Schulter, schwang sich hoch, reckte sich, schmiegte sich an die Wand und bekam mit den Fingerspitzen den keulenförmig verdickten Nickelhebel der Luke zu fassen.
    Er zog und zerrte und hängte sich schließlich daran. Der Hebel gab knirschend nach, als sei der Schlossmechanismus mit Glassplittern gefüllt; er machte eine Viertelumdrehung und rührte sich nicht mehr.
    »Drehst du nach der richtigen Seite?« fragte der Doktor, der mit der Taschenlampe von unten leuchtete. »Die Rakete liegt.« »Das
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