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Eden Inc.

Eden Inc.

Titel: Eden Inc.
Autoren: Lincoln Child
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Traumgestalt lächelt schwach.
    Das eigenartig rhythmische Geräusch wird nun lauter. Er verbirgt sein Gesicht in den Händen. »Oh, nein. Nein.«
    »Ich bin noch hier«, sagt Liza.
    Aber er will nicht aufschauen, er will nicht aufschauen, er will nicht aufschauen .
    »Christopher ...«
    Lash öffnete die Augen. Es war dunkel. In der Schwärze der Nacht glaubte er einen Moment, er läge zu Hause in seinem Bett. Er richtete sich auf, atmete langsam und ließ die Traumfetzen vom rhythmischen Auf und Ab des Rauschens der Brandung fortspülen.
    Doch dann wehte der exotische mitternächtliche Wohlgeruch von Hyazinthenblüten und Eukalyptus durch das offene Fenster herein, und ihm fiel ein, wo er war.
    Er stand langsam auf und schob den dünnen Vorhang beiseite. Dahinter erstreckte sich der Dschungelbaldachin bis zum tropischen Meer hinab, eine von flüssigen Topasen umgebene dunkle Smaragddecke. Dünne Wolken trieben vor einem aufgeblähten Mond daher. Manchmal, dachte er, sind Träume trotz alledem nur Schäume.
    Er ging zum Bett zurück und schlug die Laken auf. Ein paar Minuten lag er wach da, musterte die Bambusdecke und lauschte der Brandung. Seine Gedanken verweilten in der Vergangenheit, eine halbe Welt entfernt. Dann drehte er sich herum, schloss wieder die Augen und fiel in einen traumlosen Schlaf.

 
64
    Es war erst 18.00 Uhr, und doch hatte sich das Zwielicht des nahenden Winters über Manhattan schon ausgebreitet. Auf den vom Regen überspülten Straßen kämpften Taxen wie Jockeys um ihre Position. Fußgänger drängten sich auf den Gehsteigen, boten den Elementen die Stirn und trotzten ihnen mit gezückten Schirmen wie Ritter bei einem Turnier.
    Christopher Lash stand an der Ecke Madison Avenue/5 6th Street in einer Menschenmasse und wartete darauf, dass die Ampel auf Grün sprang. Regen, dachte er. Ohne Regen würde einem an Weihnachten in New York etwas fehlen.
    Aufgrund der Kälte trat er von einem Fuß auf den anderen und bemühte sich, die großen Tüten, die er schleppte, unter den Schirm zu halten, damit sie nicht nass wurden. Die Ampel sprang um; die Menge strömte langsam vorwärts.
    Jetzt endlich erlaubte Lash es sich, den Kopf zu heben und die Skyline zu betrachten.
    Auf den ersten Blick wirkte das Gebäude wie immer. Unter dem bedeckten Himmel ragte samten die Lavaglaswand auf und lockte das Auge zu der zurückgesetzten Fassade, an der der äußere Turm aufhörte und der innere begann. Erst in dem Moment, als sein Auge auf dem inneren Turm ruhte, wurde die Veränderung deutlich. Früher war der sanft aufragende Innenturm durch ein dekoratives Gitterband unterbrochen worden, bevor noch ein paar weitere Stockwerke kamen. Nun waren die oberen Etagen mit dem streifenartigen Gittergeflecht nicht mehr da. An ihrer Stelle befand sich der freie Himmel. Die verkohlten Überreste, das zerfetzte Metallgewirr, das Lash auf Zeitungsfotos gesehen hatte, war mit bemerkenswertem Tempo verschwunden. Nun war es weg, völlig weg, als hätte es nie existiert. Und als er wieder nach unten blickte und sich von der Menge davontragen ließ, schmerzte ihn das, was mit ihm verschwunden war. Auf dem großen Platz vor dem Eingang war es sehr still. Keine Touristen machten Schnappschüsse ihrer Familie unter dem stilisierten Emblem. Keine Bewerber lungerten vor dem überdimensionalen Springbrunnen und der Figur des Sehers Theiresias herum. Die Empfangshalle dahinter war ebenso ruhig. Lashs Schuhe schienen das einzige Geräusch auf dem rosafarbenen Marmorboden zu erzeugen. Die Wand mit den Flachbildschirmen war dunkel und schweigsam. Es gab auch keine Bewerberschlangen mehr. Sie wurden ersetzt durch Grüppchen von Wartungsarbeitern und Ingenieuren in Kitteln, die über Schaubildern brüteten. Nur eines hatte sich nicht verändert: das Sicherheitspersonal. Lashs Tüte mit den verpackten Geschenken wurde zwei Untersuchungen unterzogen, dann erteilte man ihm grünes Licht, und er konnte sich zu den Aufzügen begeben.
    Als die Lifttür im zweiunddreißigsten Stock aufging, wartete Mauchly schon auf ihn. Er schüttelte Lash die Hand und geleitete ihn wortlos zu seinem Büro. Er bewegte sich auf seine typische Weise und bedeutete Lash, den gleichen Platz einzunehmen, den er schon bei ihrer ersten Begegnung innegehabt hatte. Eigentlich erinnerte Lash so ziemlich alles hier an den Tag damals im Frühherbst. Mauchly trug einen braunen Anzug der gleichen Art, schlicht, doch überaus gut geschnitten. Seine dunklen Augen musterten Lash
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