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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten
Autoren: Dirk Reinhardt
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haben gelacht und sind weitergegangen. Ich hab gezittert vor Wut und die Pistole umklammert, aber das war alles. Gezogen hab ich sie nicht. Ich hab nur dagestanden und den beiden hinterhergesehen, bis sie verschwunden sind, dann hab ich mich umgedreht und bin weitergelaufen.
    Irgendwann war ich am Appellhofplatz, ohne dass ich’s eigentlich wollte. Seit sie uns letztes Jahr aus dem EL-DE-Haus entlassen haben, bin ich nicht mehr in der Gegend gewesen. Als ich’s wiedergesehen hab, ist es mir kalt den Rücken runtergelaufen. Zuerst hab ich überlegt reinzugehen, aber den Mut hatte ich dann doch nicht. Ich hab mich auf der anderen Straßenseite in ’ne Hofeinfahrt gestellt und das Haus beobachtet.
    Bestimmt ein paar Stunden ist das so gegangen. Die ganze Zeit hab ich gehofft, Hoegen oder die Kellerassel oder sonst einer von den Schlägern würde rauskommen. Auf die ist mein Hass bestimmt groß genug, hab ich gedacht. Bei denen schaff ich’s abzudrücken. Und um die ist es verdammt nicht schade.
    Aber es war wie verhext. Nicht ein Einziger von ihnen ist aufgetaucht. Auf der Straße war’s beinahe gespenstisch ruhig – so als wär ich der letzte Mensch auf der Welt. Oder als hätten sich alle abgesprochen,
mir nicht über den Weg zu laufen. Als es dunkel wurde, bin ich gegangen. Ich bin sie nicht losgeworden, meine Wut.
    Zurück im Schrebergarten, bin ich zu Flint und hab ihm die Pistole auf den Tisch gelegt.
    »Weißt du schon, was du vorhast?«, hab ich ihn gefragt.
    Er hat die Waffe genommen und eingesteckt. »Kralle und ich, wir haben ’n paar Ideen. Ist aber noch in Arbeit.«
    »Egal, was es ist«, hab ich gesagt. »Plant mich ein. Ich bin dabei.«

12. Februar 1945
    Alles, was uns noch aufrecht hält, ist die Hoffnung, dass es bald vorbei ist mit dem Krieg. Aber es ist ’n grausames Geduldsspiel. Mehr als drei Monate ist es her, dass die Alliierten in Aachen einmarschiert sind. Aachen! Damals haben wir gedacht, vor dem Winter wär alles vorbei. Aber dann kam der Volkssturm und was denen da oben noch so eingefallen ist. Den 28er Jahrgang haben sie an die Front geholt, und es heißt, der 29er wär auch bald an der Reihe. Alles, was zwei Beine hat, wird verheizt – nur damit sie das Ende noch ein paar Monate rauszögern.
    Wir haben überlegt, ob wir irgendwas tun können, um die Sache abzukürzen. Alles Mögliche ist uns eingefallen. Das meiste war so abenteuerlich, dass wir’s gleich wieder verworfen haben. Am Ende hatte der Lange die entscheidende Idee. Eigentlich säßen wir doch an der Quelle, hat er gesagt und mit dem Daumen nach draußen gezeigt. Erst haben wir nicht verstanden, wovon er redet, dann ist uns klargeworden, dass er die Bahnstrecke meint. Über die Schienen läuft der Nachschub für die Westfront, und es müsste doch mit dem Teufel zugehen, haben wir gedacht, wenn sich da nicht was machen lässt.
    In die Idee haben wir uns richtig verbissen – wohl auch, damit
wir was zu tun haben und nicht immer über die furchtbaren Dinge nachgrübeln, die passiert sind. Der Lange hat Nadja davon erzählt, und die hat eines Abends einen von den Ostarbeitern, die sich in den Gärten verstecken, zu uns gebracht. Er ist Eisenbahner, hat sie gesagt – oder war’s, bevor sie ihn aus Russland verschleppt haben. Sein Name wär Pawel, er könnte uns vielleicht helfen.
    Wir haben ihm erzählt, was uns im Kopf rumspukt. Er war sofort Feuer und Flamme für die Sache, so groß war sein Hass auf den Krieg. Wir könnten auf ihn zählen, hat er gesagt. Mit Zügen würd er sich auskennen. Er wüsste auch, wie man’s anstellt, sie entgleisen zu lassen. Das wär gar nicht so schwer. Wir müssten nur an die richtigen Werkzeuge kommen. Flint hat gesagt, das soll er mal unsere Sorge sein lassen. In der Nähe vom Güterbahnhof gäb’s ’n Ausbesserungswerk von der Reichsbahn, da würden wir schon finden, was wir brauchen.
    Vor ein paar Nächten sind wir in das Werk eingestiegen, Pawel haben wir mitgenommen. Die Sache war nicht ohne. Wir hatten rausgefunden, dass nachts zwei bewaffnete Wachmänner da sind. Zum Glück haben’s Flint und Kralle geschafft, sie zu packen, bevor sie Alarm schlagen konnten. Kralle hat sie für ’ne Weile ins Reich der Träume geschickt. Dann sind wir in das Werk rein, haben uns, so schnell es ging, die nötigen Sachen zusammengesucht und sind wieder verschwunden.
    Gleich in der Nacht danach haben wir die Aktion gestartet. Es war am Ende vom Güterbahnhof – da, wo die Gleise zusammenlaufen
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