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Ed King

Ed King

Titel: Ed King
Autoren: David Guterson
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Schultern und zirpte wie auf ein Stichwort: »Ich mag deinen Namen, Barry, sehr sogar. Und Tina«, fügte sie hinzu, »ist ein ebenso schöner Name.« Dann sah sie zu Walter herüber und blinzelte ihm zu, als sei er nicht ihr neuer Arbeitgeber, sondern ihr engvertrauter Chauffeur.
    »Ihr habt beide großartige Namen«, bestätigte er.
    »Tipptopp, einmalig, unschlagbar.«
    »Barry und Tina: die schönsten Namen der Welt.«
    Diane lachte, und Walter fiel ein.
    Sie lachte erneut eine Stunde später – das gleiche unterdrückte, kehlige Lachen –, als sie im gigantischen Space Wheel saßen und ihre Gondel auf dem Scheitelpunkt gefährlich schaukelte, dreißig Meter über dem Gewimmel am Boden. Sie lachte, weil er sich am Schoßbügel festhielt und ihre Kabine durch ruckartige Bewegungen noch stärker zum Schaukeln brachte, während Tina in einer Mischung aus Angst und Entzücken »Daddy!« rief und Barry ihn mutig unterstützte. »Wie gemein«, zischte Diane und zog Tina schützend an sich. »Mach dir nichts aus solchem Leichtsinn, Liebes – er setzt ja nur dein teures Leben aufs Spiel.«
    »Aber Tina liebt die Gefahr. Stimmt’s, Liebes?«
    Seine Tochter, sich an die göttlichen Hüften des Au-pairs klammernd, antwortete mit nur einem Wort: »Diane.«
    Beim Gang über die Weltausstellung folgte Walter Diane wie ein Hund, damit er sie in ihrer Jeans bewundern konnte. Auf dem Weg waren viele ärmellose Kleider, pfefferminzfarbene und bunt gestreifte Tops zu sehen, aber nichts kam an Dianes Jeans heran. Nichts konnte ihren wippenden Pferdeschwanz schlagen, wenn sie mit vorgestrecktem Kinn von der Zuckerwatte abbiss; nichts konnte den Anblick übertreffen, als sie im Kunstpavillon, ihre schmalen Hände hinter demRücken gefaltet, vor dem Gemälde Oedipus und die Sphinx stand und sich leicht vorbeugte, um es genauer zu betrachten. Neben ihr Barry, den Kopf an ihre Hüfte gelehnt, und Walter hatte Tina auf dem Arm. Das Seltsame und leicht Verstörende an dem Bild war die kolossale Figur des nackten Ödipus, neben dessen Fuß zwei nach unten weisende Speere standen, während die geflügelte und strenge Sphinx, halb im Schatten ruhend, ihm ihre bloßen Brüste aus kürzester Entfernung entgegenreckte. »Klasse«, sagte Diane, den Blick fest auf das Gemälde gerichtet. »Ich muss sagen, ich mag besonders die davonlaufende Gestalt unten in der Ecke. Sie ist in Bewegung und lässt Ödipus starr erscheinen, bannt ihn praktisch auf die Leinwand, finden Sie nicht auch?«
    Walter nickte, als wüsste er, wovon sie redete. Dann setzte er Tina ab und verschränkte die Arme, um das Bild genauer zu studieren.
    »Sehen Sie nur, wie er die Schatten in der Höhle gemalt hat«, sagte Diane. »Und wie dort unten links das Sonnenlicht auf dem Felsen spielt.«
    Verstand er sie richtig? Erkannte er die geheime Botschaft? Denn es kam Walter so vor, als verschwiege sie das Offensichtliche – die Nacktheit, einen halben Meter von ihren Gesichtern entfernt –, damit sie weiter vor dem Bild verweilen konnten. Wenn er richtig lag, spielte sie in diesem Moment den frühreifen, verführerischen Vamp. Er war sich sicher, dass sie ihm mitteilen wollte: Solange wir nicht von Nacktheit reden, können wir beide hier stehen und gemeinsam pornographische Kunst betrachten.
    »Für mich ist der blaue Himmel das Erstaunlichste«, sagte er. »Dieser tiefblaue Himmel im Hintergrund.«
    Sie lachte wie über einen Insiderwitz, ihr unterdrücktes Lachen, das er inzwischen bei jeder Gelegenheit hervorzukitzeln versuchte.
    Sie gingen zum Pavillon der Welt von morgen. Sie mussten sich in einer langen Schlange schwitzender Menschen anstellen, aber schließlich saßen sie zusammen mit 150 gespannten Besuchern im Bubbleator und stiegen wie in einer Seifenblase der Ausstellung »Chancen und Gefahren der Welt von morgen« entgegen. Sie war in den Zeitungen als inspirierende und lehrreiche Tour de Force gerühmt worden – Walter dachte, das sei interessant für die Kinder – und wurde im umfangreichen Programmheft zur Weltausstellung als »21-minütige Reise in die Zukunft« angepriesen. Dennoch kam der Bubbleator nach einem halbminütigen, unheilvoll langsamen Aufstieg zur Musik von Man in Space with Sounds, wie Walter dem Programmheft entnahm, nicht in der Zukunft an, sondern unter einem seltsam erleuchteten künstlichen Nachthimmel. Sterne und Planeten wurden auf Flächen projiziert, die an deformierte Würfel oder überdimensionierte Waben eines Bienenkorbs
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