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Echtzeit

Titel: Echtzeit
Autoren: Gabriel Barylli
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wir dann sitzen und reden. Über die Zeiten. Die alten. Und die neuen. Wenn du mal kommst …
    Isabell … Kommst du mal wieder?! Wenn ja, ruf mich bitte rechtzeitig vorher an, damit ich mich darauf vorbereiten kann. Innerlich und äußerlich! Das war ein kleiner Scherz …
    Ich würde dann nämlich den Marmorkuchen kaufen, den du so gerne zum Kaffee isst. Den in der blauen Packung, mit dem hübschen Bild auf der Verpackung. Wo man erkennt, mit wie viel Schokolade er gemacht ist. Und dann würde ich den guten Kaffee kaufen. Den in der grün-goldenen Packung. Mit der Krone vorne drauf. Ja? Ist das eine Idee?! Wäre dir das recht? Würdest du mir sagen, wenn du mal vorbeischauen möchtest?! Dann musst du nur anrufen. Oder schreiben. Eine E-Mail. Oder einfach mit mir reden. In dein »neues« Mikrofon. Dann kann ich mich vorbereiten. Wenn du mal wieder kommst…
    Und dann habe ich mein Bett. Mein Bett habe ich aus der alten Wohnung mitgenommen. Ich kann in keinem Bett schlafen, in dem ein Vormieter geschlafen hat. Das geht nicht. Das ist … du weißt schon. Mein altes Bett passt ganz genau in mein Schlafzimmer. Das Bett ist ja sehr groß und so habe ich die Schlafzimmertür ausgehängt und weggebracht. Die Tür hat nämlich gegen das Bettende geschlagen und man konnte die Türe nicht ganz aufmachen, weil mein Bett nun mal so groß ist. Jetzt wirkt es sehr großzügig, wenn man in die Wohnung kommt. Offen. Meine neue Wohnung ist sehr offen. Das ist das Gefühl, das du in meiner Wohnung hast. Offenheit. Und so kann ich auch vom Bett durch die offene Tür auf den Fernseher schauen. Der steht neben dem Klapptisch. Also, meinem Esstisch. Den hat der Vormieter auch dagelassen. Zu den Korbstühlen. Das ist so ein Blechtisch mit Klappfüßen. Diese Tische stehen eigentlich im Garten. Aber ich habe ihn übernommen, weil er so gut zu den Stühlen passt. Und weil ich so das Gefühl habe, immer im Garten zu sitzen. Tagaus, tagein. Und wenn ich mal Platz haben möchte, kann ich ihn ganz schnell zusammenfalten und wegstellen. Ja …
    Die Wände habe ich in der Farbe gelassen, die mein Vormieter hatte. Grün. So ein warmes Lindgrün. Auch sehr beruhigend und natürlich. Du siehst, ich sitze auf meinen Korbstühlen, an meinem Gartentischchen im Grünen und rede mit dir. Ist das nicht toll?!
    Sofa habe ich keines. Das hat der Vormieter mitgenommen. Ist auch wirklich besser so. Da habe ich mehr Platz. Und an der Wand, wo das Sofa gestanden ist, habe ich ein paar von meinen Kissen auf meine Meditationsmatte gelegt. Das ist viel angenehmer als so ein konventionelles Sofa. So ein gewöhnliches …
    In der alten Wohnung gab es ja diese Sitzgruppe. Weißt du noch? Furchtbar gewöhnlich irgendwie. Ich bin froh, dass ich das geändert habe.
    Weißt du, ich finde, von Zeit zu Zeit muss man sich ändern. Alles. Alles ändern. Auch die Dinge, mit denen man sich umgibt. Das öffnet dann wieder den Blick. Und man beginnt neue Wege zu erforschen. Innen und außen. Ich meine in der Innenwelt und in der Außenwelt. Und das läuft ja zusammen. Außerdem kostet die neue Wohnung nur ein Viertel von der alten Wohnung. Und wozu brauche ich eine Terrasse? Dort bläst der Wind ohnehin nur die alten Blätter von den Parkbäumen in die Ecken und man muss immerzu putzen. Nein, das habe ich jetzt viel konzentrierter. Das ist das Schönste an der neuen Wohnung. Man kann sich so konzentrieren in ihr. Weil sie so offen ist und gleichzeitig so überschaubar …
    Du weißt ja, dass Farben unterschiedliche Wirkungen auf den Menschen haben. Auf die Psyche. Und Grün ist sehr beruhigend. Man kann sich viel besser konzentrieren. Auf das Wesentliche. Auf das Leben. Auf sich. Ja …
    Und da sitze ich jetzt in meiner grünen Wohnung auf meinen knirschenden Gartenstühlen und konzentriere mich. Wie in einem stillen Garten. Und im Moment konzentriere ich mich nur auf dich, Isabell. Nur auf dich. Und ich wünsche mir, dass du einmal in meinen Garten kommst. Das war jetzt ein kleiner Scherz. Aber dann bekommst du deinen Lieblingskuchen zu deinem Lieblingskaffee und wir können miteinander reden. Das ist jetzt kein Scherz. Das wünsche ich mir. Sehr. Ich möchte, dass du das weißt. Isabell.
    … Pause.
    Jetzt habe ich »Pause« gesagt. Und dein Computer hat das Wort »Pause« geschrieben. Ich sehe es auch auf meinem Bildschirm. Ich sehe nämlich auf meinem Schirm, was es bei dir schreibt. Mein System. Ich rede – und bei dir schreibt es. Ist das nicht toll? In was für Zeiten
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