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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter
Autoren: C Funke
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trotz seines Kommentars über schottische Knappen wohl immer noch gefiel.
    »Nein«, antwortete Longspee. »Diese Kathedrale beherbergt viele Geister, aber die meisten zeigen sich nur ihresgleichen.«
    »… und sind die meiste Zeit mit Seufzen beschäftigt«, stellte Cheney verächtlich fest. »Ich leg mich wieder schlafen. Beim nächsten Mal weckt mich hoffentlich jemand, der einen Ritter angemessen für sein Erscheinen bezahlt!«
    Angus starrte Cheneys Sarg so sehnsüchtig an wie ein Hund den seines Herrn, als sein Geist wieder darin verschwand, aber ich hatte nur Augen für Longspee. Seine Gestalt verblasste ebenfalls.
    »Warte!«, rief ich ihm nach. »Wie seh ich dich wieder?«
    »Du bist mein Knappe, Jon Whitcroft«, antwortete er. »Du kannst mich immer rufen. Und ich dich.«
    Das ist bis heute wahr. Ich habe ihn nie warten lassen, ebenso wenig wie er mich. Und das Löwenmal ist auf meiner Hand immer noch zu sehen.
    Vielleicht ließ der volle Mond in dieser Nacht alle Geister der Kathedrale unruhig schlafen. In einem der Kreuzgänge begegnete uns der Steinmetzlehrling, von dem Ella erzählt hatte. Er war nicht viel älter als wir, doch er war in so viel Traurigkeit gehüllt, dass wir sie wie einen Schatten spürten und Stu verkündete, dass er für diese Nacht genug von Geistern hätte.
    Wir bekamen Edward Popplewells Flinte nicht zu sehen, als wir wieder durch das Fenster im ersten Stock kletterten, und ich weiß bis heute nicht, ob Stu sie sich vielleicht doch nur ausgedacht hat. Es war schon weit nach Mitternacht, aber uns allen war nicht nach Schlafen zumute. Also spielten wir im Licht unserer Taschenlampen auf Stus Bett Karten. Ich glaube, wir wollten einfach nicht, dass diese Nacht ein Ende nahm, weil wir alle wussten, dass die Erinnerung an das, was wir gesehen hatten, mit dem Tageslicht ebenso verblassen würde wie Longspees Gestalt.

21
    Kein schlechter Ort

    M am kam drei Tage später nach Salisbury. Während ich mir morgens die Zähne putzte, versuchte ich, wieder den mürrischen Gesichtsausdruck aufzusetzen, den ich so meisterhaft beherrscht hatte, aber plötzlich war es mir, als sähe ich Aleister Jindrichs ewig beleidigtes Gesicht vor mir im Spiegel.
    »Ja, Jon Whitcroft, gib es zu!«, flüsterte ich meinem Spiegelbild zu, auch wenn mir das einen irritierten Blick von Stu einfing, der sich neben mir eins seiner Tattoos von der Haut schrubbte. »Dir gefällt es hier, auch wenn du fast von Dämonenhunden zerrissen und beinahe von einem Kirchturm gestoßen worden wärst.«
    Natürlich hatte ich nicht vor, Mam das zu erzählen.
    Sie holte mich von der Schule ab und ging mit mir in das Café am Marktplatz, wo der Kuchen so gut ist, dass Angus manchmal im Schlaf davon spricht. Sie war genauso nervös wie ich. Ich sahes daran, wie fest sie die Riemen der geschmacklosen Handtasche umklammert hielt, die der Vollbart ihr zur Verlobung geschenkt hatte. Sie war, wie versprochen, ohne ihn gekommen, aber sie ersparte es mir nicht, mich vor Angus und Stu zu küssen und zu umarmen. Zum Glück haben die zwei auch Mütter und taten wie echte Freunde, als hätten sie es nicht gesehen. Als wir auf das Schultor zugingen, entdeckte ich Ella mit zwei ihrer Freundinnen vor uns auf der Straße, aber ich traute mich nicht, ihr nachzurufen, weil ihre Freundinnen entsetzliche Klatschtanten waren. Ella, ich will dir meine Mutter vorstellen hätte ihnen sicher für Wochen Kicher- und Gesprächsstoff geliefert. Trotzdem starrte ich ihr nach. Das dunkle Haar fiel ihr über den Rücken, wie Ella von Salisburys Schleier es in Lacock getan hatte.
    »Was ist?«, Mam legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Ach, nichts«, murmelte ich, während Ella zwischen den Bäumen am Ende der Straße verschwand. Ich hatte ihr natürlich längst erzählt, dass Longspee doch noch in der Kathedrale war. Trotzdem wäre ich gern mit ihr über die Schafswiesen zurück zu Zeldas Haus gegangen und hätte dabei einfach nur über alles und gar nichts geredet. Mit niemandem geht das besser als mit Ella.
    »Nichts?«, sagte Mam. »Ich seh dir doch an, dass du über irgendetwas nachdenkst.«
    Oje. Das konnte schwierig werden. Worüber sollte ich mit ihr sprechen? Schule? Lehrer? Es ist gar nicht leicht, mit jemandem zu reden, wenn man dabei alles vermeiden muss, was einem wirklich am Herzen liegt. Aber ich war immer noch sicher, dass ich Mam weder von Stourton noch Longspee erzählen wollte.
    »Jon?«, begann sie erneut. Was immer heißt, dass es wirklich
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