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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray
Autoren: Katie Kacvinsky
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Dozentin ein zugedröhnter Hippie ist, bei der sogar ein Zweitklässler durchkommen würde, solange er irgendwas Geschriebenes einreicht. Also hatte ich geplant, ein Ferientagebuch zu führen, Teile davon als autobiografische Essays zu tarnen und mich so um echte Aufgaben zu drücken. Stattdessen bin ich gezwungen, Gedichte zu schreiben. Schon seit vier Wochen soll ich denken wie ein Mädchen. Sensibel … bildhaft … blumig …
    Ich bin vier Minuten zu spät gekommen, was niemanden stört, und sitze ganz hinten im Klassenraum. Jede Stunde müssen wir uns zu Vierergruppen zusammenfinden und unsere peinlichen Schreibversuche miteinander durchsprechen. Nur um ein paar mickrige Punkte für »aktive Teilnahme« zu bekommen. Wir lesen nacheinander vor, welchen Müll wir zustande gebracht haben. Ich wette, die meisten haben ihre so genannte Lyrik schnell in der Pause oder beim Frühstück hingekritzelt. Ein Typ in meiner Gruppe hat tatsächlich ein Liebesgedicht an einen Bacon Burger geschrieben. Mrs Stiller, unsere übermäßig gefühlvolle Dozentin, ermuntert uns dazu, beim Schreiben unsere innersten Regungen und Geheimnisse zu enthüllen. Literatur ist das Fenster zur Seele, predigt sie. Ich bleibe lieber auf der sicheren Seite. Also habe ich ein Gedicht darüber geschrieben, wie ich für meine Highschool den Baseball-Pokal geholt habe. Und eines über Kanufahren. Beide waren vollgestopft mit Klischees und abgedroschenen Redewendungen. Ich habe sogar versucht zu reimen. Das Erlebnis war demütigend.
    Nach einer halben Stunde, in der wir uns zu zweit eine Liste von Metaphern ausdenken sollen (meine Partnerin ist die ganze Zeit damit beschäftigt, ihren Freund anzusimsen, also muss ich alles alleine machen), und ein weiteres Gedicht als Hausaufgabe bekommen (langsam glaube ich, dieser Kurs ist eine Strafe für schlechtes Karma aus einem vorigen Leben), nähert sich die Stunde allmählich dem Ende.
    Erleichtert klappe ich mein Heft zu, aber da fällt mir ein, wer draußen auf mich wartet. Nämlich das frustrierendste Mädchen der Welt. Zwar muss ich zugeben, dass sie aus der Nähe hübscher war als erwartet, aber gegen ihr Maß an Durchgeknalltheit kommt auch gutes Aussehen nicht an. Ich schlurfe den Korridor entlang und denke darüber nach, ob ich den Nordausgang nehmen und von dort zum Parkplatz schleichen soll, damit mich Coyote Kid nicht sieht. Schließlich hatte ich einen ruhigen Nachmittag geplant. Ich wollte mich zu Hause verbarrikadieren und Nintendo-Football spielen. Ein neuer Gedanke hilft mir, mich wieder zu entspannen. Vielleicht hat sie lange genug im Schatten gesessen, um ihren Sonnenstich loszuwerden. Sie könnte zu dem logischen Schluss gekommen sein, dass es nicht nur unhöflich, sondern auch gefährlich ist, sich total fremden Typen als Anhalter aufzudrängen.
    Immerhin kann sie kaum ernsthaft glauben, dass ich mich mit ihr anfreunden will. Ein ›Betreten verboten‹-Schild sendet mehr einladende Signale aus als ich.
    Aber als ich aus der Tür komme, hockt sie dort im Gras und grinst zu mir hoch, als sollte ich mich freuen, sie zu sehen. Ich nicke kurz und gehe an ihr vorbei zum Parkplatz. Sie wirft sich ihren knallroten Rucksack über die Schulter und eilt mir halb joggend, halb hopsend über den Campus nach.
    Als sie mich eingeholt hat, wird sie langsamer und spaziert so dicht neben mir her, als wären wir allerbeste Kumpel. Ich weiche auf die Grasfläche aus und ziehe mir meine Kappe tiefer in die Stirn.
    »Okay, erzähl mir die Geschichte deines Lebens«, sagt sie.
    »So etwas habe ich nicht«, knurre ich.
    »Quatsch, jeder hat eine Story. Im Rückblick hat man immer was Interessantes getan«, sagt sie.
    Ich öffne die Beifahrertür meines Kombis, um die eingeschlossene Luft herauszulassen. Dann gehe ich um das Auto herum und öffne auch die Fahrertür, wobei ich aufpasse, kein Metall zu berühren, weil ich mir daran die Finger verbrennen würde. Eine Minute schauen wir uns über den Wagen hinweg an und warten, bis die Temperatur im Innenraum nicht länger dem Fegefeuer gleicht. Ich greife zu der etwas feigen Strategie, den Spieß umzudrehen und zu fragen, was denn ihre Story ist.
    »Das ändert sich ständig«, sagt sie. »Im Moment bin ich eine Fotografin auf dem ersten Schritt zur großen Karriere.« Sie streicht sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr.
    In gespielter Überraschung reiße ich die Augen auf. »Oh, du bist noch nicht weltbekannt? Niemand hat dich dafür bezahlt, unseren Betoncampus
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