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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray
Autoren: Katie Kacvinsky
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Job hast du, wo bist du geboren, was machst du als Hobby? Was Dylan an Fragen aus dem Hut zaubert, ist kaum zu glauben. Wer hat Sprühbutter erfunden und warum? Brauchen wir eine Armee, die auch den Kampf gegen Außerirdische trainiert? Gibt es tatsächlich Leute, die Schafwollkleidung nicht kratzig finden? Als wir gerade über das Pro und Contra von Laubbläsern diskutieren, werfe ich einen Blick auf mein Handy und stelle fest, dass wir schon fast eine Stunde durch die Gegend laufen.
    Auf der Straße paradieren blitzblanke Cabrios vorbei und uns umgibt eine Wolke aus Parfum und Aftershave von all den Shopping-Besessenen, die den Boulevard entlanghetzen und schützend die Hände um ihre Portemonnaies und Handtaschen gekrampft haben.
    Wir kommen an einem Obdachlosen vorbei, der ein Schild mit der Aufschrift Hast du mal ’nen Joint? hochhält. Ich lehne mich in Dylans Richtung und flüstere: »Wenigstens ist er ehrlich.«
    Dylan bleibt stehen und fragt ihn, ob sie ein Foto machen darf. Er nickt und sie knipst ein paar Bilder, während ich aus dem Hintergrund zuschaue. Dann fragt sie den Mann, wo er herkomme, und zu meiner Überraschung klingt er sachlich und gebildet. Seine blauen Augen blitzen und seine silbernen Haare hat er zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, der ihm fast bis zur Taille fällt. Er erzählt uns, dass er per Anhalter aus Colorado gekommen ist, wo er auf einem Ökobauernhof gearbeitet hat. Er hat einen Uniabschluss, hasst aber die Grauen Männer und das System, weil sie den Kapitalismus erfunden haben, der den Konsumterror erfunden hat, der unsere Mutter Erde zerstört. Er hat noch nie Steuern gezahlt, aber auch noch nie etwas gestohlen. Er lebt nur für den Moment, einen Tag nach dem anderen, und damit geht es ihm besser als den meisten. Sein breites Grinsen enthüllt einen Mund voller Zahnlücken.
    Dylan drückt mir die Kamera in die Hand und sagt, ich soll einen Moment warten. Dann sprintet sie in einen Laden mit Badebekleidung. Ich bleibe draußen neben dem Landstreicher stehen und starre auf den Boden. Ausgerechnet jetzt wird sie von dem plötzlichen Verlangen überwältigt, shoppen zu gehen? Zwei Minuten später kommt Dylan zurückgerannt und schwenkt ein Paar blaue Flipflops. Sie überreicht sie dem barfüßigen Mann und fragt, wie er heißt. Zuerst schaut er überrascht, dann grinst er und sagt, sein Name sei Sam.
    »Prima«, sagt sie. »Ich glaube, die sollten passen, Sam.« Der Mann nimmt die Plastiksandalen und steckt die Riemen zwischen seine braunen Zehen. Er nickt Dylan zu, bedankt sich und nennt sie einen Engel. Bei dem Kompliment hebe ich die Augenbrauen. Ich halte ›durchgeknallt‹ immer noch für eine bessere Beschreibung.
    Wir gehen weiter die Straße entlang und Dylan bleibt nur stehen, wenn sie Leute knipsen will, die zu abgelenkt sind, um sie zu bemerken. Sie macht ein Foto von einer Mutter mit drei Töchtern, die in ein Schaufenster vertieft sind. Alle tragen die gleichen pinkfarbenen Caprihosen und knallweißen Tennisschuhe. »Team Capri«, flüstert sie mir zu.
    Fast hätte sie mich zum Lächeln gebracht. Ich stelle fest, dass ich tatsächlich Spaß habe, und genau in dem Moment entdecke ich eine bekannte Gestalt am Ende des Häuserblocks. Im Schatten einer Markise steht mein früherer bester Freund neben einer langbeinigen Blondine. Er winkt und ich presse die Lippen zusammen. Eigentlich sollte ich nicht überrascht sein. Schließlich weiß ich, dass Brandon Stack immer noch in Phoenix wohnt. Er hat ein Stipendium der Uni Arizona bekommen, um dort Baseball zu spielen. Ich atme scharf aus und gehe auf ihn zu. Brandon stößt zur Begrüßung seine Faust gegen meine.
    »Hey, Mann, cool dich zu sehen«, sagt er. Ich nicke, auch wenn ich seine Begeisterung nicht teile. Das Timing könnte kaum mieser sein. Natürlich kann Brandon nichts dafür, dass seine bloße Anwesenheit mich daran erinnert, woraus mein Leben gerade besteht und vor allem, was darin fehlt. Ich habe eine Menge Zeit damit verbracht, meine Vergangenheit sorgfältig zu verpacken, zu verschnüren und luftdicht zu versiegeln. Das fertige Paket habe ich im hintersten Winkel meines Bewusstseins verstaut, doch Brandons Anblick lässt es wieder aufplatzen, sodass die Erinnerungen herausquellen und mir vor die Füße fliegen.
    Dylan lehnt im Schatten der Häuserwand neben der blonden Sexbombe. Sie sieht aus wie ein zerrupftes Straßenkind, das sich in die glitzernde Promiwelt verirrt hat.
    »Oh«, sagt Brandon, »das
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