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Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
Autoren: Kim Paffenroth
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denken. Da ich diese Dinge aber nicht mehr laut aussprechen kann und dachte, andere könnten sich vielleicht dafür interessieren, wollte ich ein paar von ihnen niederschreiben.
    Dieser ältere Mann, in dessen Nähe ich mich stets unwohl und ängstlich fühle, hat uns vor nicht allzu langer Zeit hierher gebracht. Die anderen Leute, die auch nicht sprechen können, müssen sich in seiner Nähe ebenfalls unwohl und ängstlich fühlen, denn genau wie ich ziehen sie sich langsam zurück, wenn er auf sie zukommt. Damals wusste ich noch nicht, weshalb er uns hierher brachte, denn dort, wo wir vorher gewesen waren, war es uns, wie ich fand, ziemlich gut gegangen. Vielleicht tat er es, um uns zu bestrafen, denn später hörte ich, dass er uns in ein Gefängnis sperren wollte. Er kann sprechen. Er sprach mit lauter Stimme zu uns, aber seine Worte waren freundlich, und deshalb machte es mir nichts aus, dorthin zu gehen, wo er uns haben wollte, wenn es ihn denn glücklich machte und er der Ansicht war, es sei zu unserem Besten.
    Der ältere Mann führte uns aus der Stadt, in der er uns gefunden hatte. Ihn begleiteten zwei Hunde, die ihm dabei halfen, uns in die Richtung zu führen, in die er uns lotsen wollte. Es war seltsam, aber während wir mit ihm gingen, fragte ich mich, wieso ich nicht selbst darauf gekommen war, die Stadt einfach zu verlassen – ich hätte beim besten Willen nicht sagen können, weshalb, aber es war mir einfach nicht in den Sinn gekommen.
    Ich habe mir etwas notiert, an das ich mich seither zu erinnern versuche: Ich will nicht nur dasitzen und nichts tun, aber manchmal ist das sehr schwierig, denn der Drang, sich einfach hinzusetzen und all die Dinge zu vergessen, die getan werden müssten, ist beinahe überwältigend. Aber diesem Drang nachzugeben, fühlt sich einfach nicht richtig an, denn ich erinnere mich noch daran, wie wir aus der Stadt zogen und wie gut es sich anfühlte, etwas Neues zu sehen – Felder, Bäume, Blumen und all die anderen Dinge. Dort draußen liegt eine ganze Welt, und das sollte uns ein gutes Gefühl geben. »Gut« ist nicht das richtige Wort. »Dankbar« – wir sollten dankbar dafür sein, schätze ich.
    Wir zogen aus der Stadt, ungefähr zwanzig von uns, und ein jüngerer Mann schloss sich dem älteren an. Durch den jungen Mann fühlten wir uns nicht unwohl oder ängstlich wie durch die bloße Anwesenheit des älteren, aber als ich ihn sprechen hörte, bekam ich doch ein wenig Angst – er wirkte barscher und wütender als der ältere Mann.
    Während der Jüngere mit dem Älteren sprach, versuchten eine Menge Leute aus meiner Gruppe, sich ihm zu nähern und ihn anzugreifen. Sie fühlten sich durch ihn bedroht, glaube ich, genau wie ich selbst. Außerdem waren sie hungrig, da bin ich mir sicher, denn auch ich hatte schrecklichen Hunger, wollte den Mann aber trotzdem nicht angreifen. Einerseits, weil der freundlichere, ältere Mann sein Freund zu sein schien, andererseits, weil ich mich an eine Szene aus meiner Anfangszeit in der Stadt erinnerte, Jahre, bevor der ältere Mann uns wieder hinausführte: Mit ein paar anderen Leuten, die auch nicht sprechen konnten, hämmerte ich gegen die Tür eines großen Gebäudes. Die Tür gab nach und wir stürmten allesamt hinein. Überall war nichts als Geschrei und Blut.
    Ich war hungrig, so entsetzlich hungrig. Er nagte und zerrte an mir, der Hunger. Ich war hungrig, so lange ich überhaupt zurückdenken konnte – seit ich Tage zuvor erwacht war. Als ich dann eine Frau auf dem Boden liegen sah, die von einigen der anderen zerfetzt wurde, langte ich auch zu. Ich schlug und krallte sogar nach ein paar der anderen, um sie aus dem Weg zu räumen und mir selbst ein blutiges Stück der Frau abreißen zu können. Ich wollte nur, dass der Hunger endlich verschwand, aber das Ganze war nichts als ein grausamer Scherz, der ebenso auf unsere Kosten ging wie auf ihre.
    Als ich etwas davon aß, verbrannte es mir im wahrsten Sinne des Wortes den Mund. Mein Mund war die ganze Zeit über völlig trocken und kalt gewesen, aber nun fühlte er sich an, als würde er mit brennender Flüssigkeit verbrüht, und es kam mir vor, als ertränke ich gleichzeitig im rutschigen, schmierigen Nass ihres Blutes. Es war das schrecklichste Gefühl, das ich jemals hatte. Ich umklammerte meine Kehle, warf meinen Kopf von einer Seite auf die andere und versuchte zu schlucken, und dabei war ich mir sicher, dass es mich umbringen würde, so intensiv war das Gefühl des
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