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Dunkles

Titel: Dunkles
Autoren: Tommie Goerz
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nichts mehr.
    »Und machst du bitte noch eine Liste, was alles getan werden muss?«
    »Schon dabei.«
    »Okay, bis morgen. Und danke!«
    Behütuns legte auf. Besser gesagt: Er drückte auf die Taste mit dem roten Hörersymbol. Ein Handy kann man weg-, aber nicht auflegen. Wieder einmal hatte er während der Fahrt mit diesem Ding telefoniert. Er sah auch gar nicht ein, warum nicht. Das Radio durfte er ja auch betätigen. Ebenso den Scheibenwischer, die Waschanlage ... aber die ging ja nicht. Beziehungsweise war leer. Behütuns fuhr rechts ran, wollte die paar Minuten warten, bis die Sonne weg war. Links drüben, ein Stückchen die Wiese hinauf, lag schon wieder ein Keller. Gleich am Fuß des Walberlas. Rot leuchteten die Felsen des Berges. Fränkisches Schweizerglühen, ging es ihm durch den Kopf. Den Keller hatte er schon oft gesehen, fast immer, wenn er hier vorbeifuhr. Lindenkeller. Dabei standen da gar keine Linden. Aber besucht hatte er ihn noch nie. Warum sollte er denn jetzt überhaupt nach Nürnberg fahren? Dann doch lieber in der letzten Abendsonne noch ein Bier! Schon fuhr er den Weg hinauf zum Parkplatz. Wenn nur nicht wieder so ein Frauenchor ...
    Aber es saßen nur Männer dort, und keiner von ihnen sang. Okay. Mit Männern ist gut sitzen, dachte sich Behütuns.
    Er schaltete sein Handy aus. Jetzt wollte er keine Störung.
    Ab und zu sagte einer der Männer etwas, sonst saßen sie nur im roten Licht. Dann ging die Sonne unter, der Ball verschwand viel zu groß hinterm Horizont. Als hätte sich die Sonne nur zur Show noch einmal aufgeblasen. Um Eindruck zu schinden. Behütuns musste sich eingestehen, dass es ihr gelungen war. Und zwar bis an die Tränengrenze.
    Kondensstreifen zogen über den Himmel, noch von der Sonne angestrahlt, die hier unten schon weg war. Hell leuchtete das Weiß der Streifen unterm satten Himmelsblau. Schwalben jagten nach ihrem Abendbrot, und dann hörte Behütuns dieses ... ja was? ... dieses schnellkehlige »hububub«, »hubububub« und wusste sofort: ein Wiedehopf. Ja, diese Landschaft könnte passen. Karstig, ein wenig steppenhaft, sonnig und mit nicht zu dichtem Baumbestand. Wow, war das lange her, dass er einen gehört hatte! Gesehen hatte er diesen Vogel zuletzt auf Mallorca, in den Obst- und Olivenhainen entlang der Bahnstrecke von Palma nach Port de Söller. Aber gehört hatte er den damals nicht. Gehört hatte er den letzten ... wo war das noch gewesen? Bei Seukendorf, irgendwo hinter Fürth. Vor? Sicher 20 Jahren. So seltene Ereignisse hatten für ihn etwas Erhabenes. Sie durchströmten ihn. Das Bier trug seinen Teil dazu bei. Der Vogel verstummte, den anderen war er egal. Sie hatten ihn nicht einmal gehört. Oder wahrgenommen. Vielleicht war's für sie auch normal. Zu sehen aber war der Vogel nicht. Er zeigte sich ihm nicht.
    Selig, fast andächtig erhob sich Kommissar Behütuns und ging langsam hinüber zum Auto. Jetzt würde er ganz sicher das Handy stumm lassen. Für einen Moment hatte er zuvor noch gezögert.

Aber dann wollte keiner was gesehen haben.
Matthias Politycki, Weiberroman
4. Kapitel
    Um acht Uhr waren alle im Büro. Oder fehlte einer? Klar, Peter Jaczek. Der Immerundewigzu­spätkommende.
    Behütuns sah auf die Uhr, faltete die Hände auf dem Tisch und machte den Mund breit.
    Schweigen.
    »Fang an«, sagte P. A.
    »Jaczek!«, sagte Behütuns nur, vorwurfsvoll im Ton.
    »Hast du dein Handy nicht an, Chef?«
    Nein, das hatte er vergessen! Hatte er gestern Abend abgeschaltet und dann nicht wieder ein. Dick und P. A. grinsten, während Behütuns seine PIN eingab. Natürlich vertippte er sich beim ersten Mal, kein Wunder bei den dicken Daumen. Beim zweiten Mal aber klappte es. Dann las er Jaczeks SMS, abgesendet um 6.37 Uhr:
    »Fahr frueh gleich z mutter vllcht auch z schule. Rauskriegen wo sie war oder hinwollte. Bis dann. Lgj«
    »Lgj?« Behütuns sah fragend in die Runde.
    »Liebe Grüße, Jaczek.«
    Boah, »liebe Grüße« – an ihn! Behütuns grunzte berührt und abfällig zugleich. Er würde sich nie an diese SMS-Kürzel gewöhnen. Wollte er auch gar nicht, er verweigerte sich dem. Als Telefon hatte er diese Geräte ja inzwischen akzeptiert, als anderweitiges Kommunikationsmittel aber lagen sie ihm immer noch wie Fremdkörper in der Hand. Mit dem Gesicht nach unten legte er das Handy auf den Tisch. Als könne es ihn so nicht sehen.
    »Also gut, dann los!«
    Es war ein Tag, an dem vieles gleichzeitig passierte.
    Jaczek fuhr früh, wie angekündigt,
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