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Dunkles

Titel: Dunkles
Autoren: Tommie Goerz
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diese Funklöcher, mit denen man sich herausreden konnte, aber die Zeiten sind leider vorbei. Nirgendwo ist man heute mehr sicher. Was konnte denn nur so wichtig sein? Nichts!
    Er drückte den Anruf einfach weg.
    Zwei Minuten später klingelte es wieder.
    »Behütuns beim Presssack«, meldete er sich mit vollem Mund. Ein kleines Stück dieser Götterspeise klebte schon am Telefon. Wahrscheinlich beim »Pr« mit hinausgeflogen. Beim Essen sollte man auch nicht telefonieren. Mit der Gabel trennte er noch ein Stück Presssack ab, spießte einen Zwiebelring mit auf und schob sich alles zusammen, während er zuhörte, zwischen die Zähne, einen Bissen Bauernbrot hinterher. Man musste das immer in dieser Kombination essen, nur so kam das richtige Aroma zustande. Noch eine Messerspitze Senf, dann war es gut.
    »Bist du noch dran?«, fragte es besorgt aus dem Telefon.
    »Grmmpf, hmmm«, kam es zwischen seinen Lippen hervor.
    Die Stimme am Telefon sprach weiter.
    Gibt es einen unerfreulicheren Job als Kriminalpolizist in Bereitschaft? Freiwillige Feuerwehr vielleicht, oder Arzt, aber sonst sicher keinen. Immer und überall kannst du angerufen werden und musst dann sofort los. Nichts war's mit Übernachten in Pretzfeld oder damit, sich volllaufen zu lassen und dann im Auto zu schlafen. Ab in die Kiste, auf die Landstraße, die B 470, von dort auf den Frankenschnellweg und ganz schnell zurück. Zurück in die Realität. Behütuns warf sich einen Fisherman's Friend ein. Das dämpfte die Fahne und man hatte das Gefühl sauberen Atems. Ade, schöne Fränkische, jetzt geht's in die Großstadt nach Nürnberg.
    Peter Dick hatte angerufen, und, wie es klang, nicht ganz ohne Grund. Sauer war er natürlich gewesen, das konnte man gut verstehen.

Bin ich der einzige, der es hört?
Aus der Ferne kommt es, ein
formloses Heulen, Unheilsgesumm.
Cees Nooteboom, Der Umweg nach Santiago
3. Kapitel
    Dass Peter Dick sauer war, war nur zu gut verständlich. Die anderen haben frei, der Chef liegt in der Fränkischen im Bad, und er sitzt im heißen Büro. Beobachtet Staub in der Sonne. Spitzt Bleistifte und so. Gelangweilt hatte er sich, die Füße hochgelegt und den Dreck unter den Fingernägeln herausgekratzt. Hatte sich dann noch mal die paar Sachen angeguckt, die herumlagen. Das Mädchen, das nicht heimgekommen war. Hatte sich den Bericht noch einmal angeschaut und mit der Mutter telefoniert. Die Arbeit gemacht für die Kollegen.
    Sie hatte am Abend noch ins Zimmer geschaut, da habe die Tochter geschlafen. Meinte sie. Aber wahrscheinlich sei sie da schon weg gewesen, das war so gegen halb eins. Das sei ihr aber erst am Morgen gekommen. Da habe sie ihre Karin wecken wollen, aber die lag gar nicht im Bett. Das Bett war nur so drapiert, als läge sie darin. Die Decke längs zusammengerollt, und wo der Kopf war oder hätte sein müssen, ein dunkles Kissen. Wenn man abends ins Zimmer reinschaut und es dunkel ist, sieht man das nicht. Erst am Tag, bei Licht. Halb acht Uhr morgens war es gewesen, als sie es bemerkt hatte. Denn normal komme die Karin immer selber zum Frühstück und müsse nicht extra geweckt werden. Und dann sei das Fahrrad weg, sagte sie, nicht mehr im Schuppen, wo es immer stehe.
    »Ja, und? Deswegen rufst du mich an? Weißt du denn, wo ich bin?«
    Behütuns wurde langsam unwirsch. Da saß er hier auf einem paradiesischen Keller, überlegte gerade, ob er die Situation richtig auskosten und genießen sollte, sitzen bleiben bis zum Schluss, das Bier vor sich, den Sonnenuntergang dort drüben, das Wiesenttal zu Füßen, und sich schön genüsslich die Kante geben – und wurde dann wegen nichts gestört?
    »Also, was ist jetzt so wichtig?!«
    »Ein Fahrrad wurde gefunden.«
    »Ja, und?«
    »Das Fahrrad wahrscheinlich.«
    »Welches das Fahrrad?«
    »Na, das Rad des Mädchens.«
    »Gut. Und?«
    »Ziemlich kaputt.«
    »Und das heißt? Platt und das Licht kaputt, oder was?«
    »Nee, total demoliert. Vorne rum. Das Vorderrad komplett deformiert und so.«
    »Na, das passiert doch oft. Steht ein Rad nachts irgendwo herum, kommt ein Idiot vorbei oder auch zwei, Mütchen kühlen. Dann treten die dagegen, da haste sofort 'nen Achter, ist der Lenker verbogen und so. Und meistens schmeißen sie's dann noch in 'nen Acker. Oder über einen Gartenzaun in 'nen Vorgarten rein.« Behütuns machte eine kurze Pause, am anderen Ende schien Dick zu überlegen.
    »Wo wurde das Rad denn gefunden?«
    »An der Brücke oberhalb der Mittelsmühle.«
    »Wo is'n
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