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Dunkles

Titel: Dunkles
Autoren: Tommie Goerz
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die Ruine Neideck stand, die über die Flusskurve drunten im Tal wachte ... Jetzt muss ich mich aber mal bewegen, dachte Friedo Behütuns, der mit seinem Handtuch unterm Arm noch immer im Eingangsbereich herumstand. Die Leute gucken ja schon! Er hatte sich total verträumt.
    Das Wasser dieses Bades, das hatte ihm einmal der Bademeister erzählt, wird wöchentlich gewechselt. Dann ist es so richtig kalt, direkt aus dem Berg. Doch mehr als 19, 20 Grad hat es selten, denn am Nachmittag liegt das Bad schon wieder im Schatten. Auf der gegenüberliegenden Seite dann ein Pavillon wie aus Modellbahn- und Faller-Häuschen-Zeiten, original 1950er-Jahre, ein kleiner Biergarten davor, die Tafeln mit den mit Kreide geschriebenen Angeboten an der Wand – Zwetschgenkuchen, Streuselkuchen, Knoblauchwurst, Pommes und so. Und auf der Längsseite schließlich eine niedrige Hecke, zwischen der hindurch die Treppe hinunterführte zur Wiesent. Ein Bad darin war Abkühlung pur. Denn dieser Fluss hatte selten mehr als 14 oder 16 Grad, in heißen Sommern vielleicht auch mal 18. Doch man musste bei jedem Besuch einmal hinein, so lange, bis einem die Haut brannte und das Herz immer schneller schlug. Dort unten am Holzsteg waren auch Kähne festgezurrt. Die konnte man sich leihen – Bezahlung oben am Badeingang – und auf der Wiesent stromaufwärts rudern, bis unter die alte Eisenbahnbrücke. Flussabwärts befand sich ein Wehr, da war es nicht ratsam, hinunterzufahren. Es bestand aber auch keine Gefahr, das verhinderten allein schon quer schwimmend verankerte Holzstämme.
    Wohin? Behütuns legte sich hinten rechts ins schräge Hanggras, noch in der Nähe des Holzkabinengeruchs und nicht zu weit weg vom Kiosk. Das war strategisch sehr klug. Dann zog er sich um, duschte und stieg ins kalte Wasser. Sofort griff ihn eine Bremse an. Das Schöne an Bremsen: Man kann sie sehr leicht erschlagen. Sie fliegen zu langsam weg. Behütuns erlegte sie gleich auf der Stirn, dann tauchte er unter und schwamm ein paar Züge.
    So herrlich kann der Sommer sein!
    Nach einer Weile tauchte er wieder auf, schwamm hinüber auf die andere Seite, zog sich am schrägen Beckenrand hoch – als Kind ging das noch alles viel leichter – schlug sich das Schienbein an und lief dann hinunter zur Wiesent. Nein, sportlich hatte das nicht mehr ausgesehen, wie er sich dort aus dem Wasser gehievt hatte.
    Zehn Minuten später saß er auf der Bank vor dem Kiosk. Hier trank er sein erstes Bier. Dann schlief er auf seinem Handtuch vor den Kabinen ein und erwachte wieder, weil Kinder lachten. Er hatte wahrscheinlich geschnarcht. Noch einmal ging er ins Wasser, noch einmal hinunter zur Wiesent, und beim Hinausgehen trug er sich dann in die Unterstützerliste zur Erhaltung des Bades ein. Wie konnte man daran nur zweifeln, dass dieses Bad so erhalten werden sollte, wie es war? Ganz Westeuropa hatte kein solches Bad mehr, davon war er zutiefst überzeugt. Manchmal wünscht man sich einfach viel Geld, dass man sagen könnte: Ja, macht mal, ich zahl das dann schon. Aber so ein Polizistengehalt? Damit reicht's ja gerade für den Eintritt. Einsfünfzig ohne Kabine, zweifünfzig mit.
    Jetzt, am frühen Abend, saß der Nürnberger Kommissar Friedemann Behütuns auf dem Kirschenkeller, hatte einen leichten Sonnenbrand, einen hochroten Kopf und einen unbändigen Durst. Doch mehr als dieses zweite Bier hier auf dem Keller durfte er heute nicht mehr trinken, er musste ja schließlich noch fahren. Auch wenn der Herr Beckstein sagt, er fahre noch nach der zweiten Maß – dieser Herr ließ sich ja fahren. Außerdem, was Politiker so alles sagen – glaubt denen denn überhaupt jemand etwas?
    Ein tiefer Zufriedenheitsseufzer kam ihm aus der Brust und ein Bierrülpser gleich hinterher. Der schmeckte schon stark nach Zwiebeln. Oder vielleicht lass ich mich mal volllaufen heute, hier, schön langsam, eins nach dem anderen? Vielleicht nehme ich mir ein Zimmer unten in Pretzfeld, oder ich schlaf einfach im Auto? Die Nacht würde sicherlich warm werden, das war klar. Und die Gelegenheit kam so schnell nicht wieder.
    Behütuns träumte vor sich hin. Der Presssack auf dem Teller lachte, das Bier im Glaskrug auch, drüben lachten ein paar Frauen und irgendwann würde der Mond ... Die Welt war so schön! Ginge es nach ihm, könnte die Zeit jetzt stehen bleiben.
    In diesem Moment klingelte sein Telefon. Natürlich. Das ist ein Ärger mit diesen Handys. Man ist keinen Moment mehr allein. Früher gab es ja noch
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