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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer
Autoren: Elvira Zeissler
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schon mehr als einmal als ein Fels in der Brandung erwiesen hatte. Von dem Tag an hatte Julie ihren Retter als ihren persönlichen Beschützer betrachtet, er wurde für sie der große Bruder, den sie schon immer hatte haben wollen. Sie machte sogar etwas wie Besitzansprüche auf Peter geltend, als würde er in erster Linie ihr gehören, und konnte sehr eifersüchtig werden, wenn er ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte.
Peter wehrte sich nicht gegen diese ihm von Julie zugedachte Rolle. Er sah sie gern als eine Art kleine Schwester, die er vor allem Unheil beschützen wollte. Doch tief in seinem Herzen wusste er, dass Julie für ihn von Anfang an mehr als eine Schwester gewesen war. Aber diese Gedanken hielt er in seinem Inneren verschlossen, denn ihre bedingungslose Freundschaft war ihm viel zu wichtig, als dass er sie durch irgendetwas gefährdet hätte.

»Ich glaube, jetzt habe ich alles«, riss Julies fröhliche Stimme ihn plötzlich aus seinen Gedanken, als sie sich neben ihn in den Beifahrersitz fallen ließ.
»Bist du dir ganz sicher?« vergewisserte er sich vorsichtig. »Ich kenne dich doch, denk lieber noch einmal nach. Ich werde nämlich nicht auf halbem Weg umkehren, nur weil du meinst, etwas vergessen zu haben.«
»Ich sagte doch, ich habe alles, nun fahr schon los«, erwiderte sie lachend. Hoffentlich stimmt das auch, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie hasste es, aber es stimmte nun mal, dass sie kaum verreiste, ohne irgendetwas, und sei es nur eine Kleinigkeit, zu vergessen. Aber diesmal hatte sie alles dreimal überprüft, und es schien wirklich alles da zu sein.
»Ich habe eine Route ausgearbeitet«, unterbrach Peter ihre Grübelei, »und wenn keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten auftauchen, werden wir wohl gegen Abend am Ort sein. Hoffentlich finden wir das Schloss und müssen nicht erst lange suchen!« Auf einmal war diese seltsame Unruhe wieder da, die er schon am Vorabend empfunden hatte, als sie über das Schloss geredet hatten. Es war nicht einmal ein richtiges Gefühl, sondern eher die Vorahnung eines drohenden Unheils. Peter schüttelte leicht den Kopf, um dieses irrationale Gefühl zu verdrängen.
»Was ist los?« fragte Julie, die seinen Gemütswechsel beobachtet hatte.
»Es ist nichts«, versicherte Peter mit einem gezwungenen Lächeln. Und auf die Gefahr hin, dass Julie ihn verspottete, obwohl er es sich eigentlich wünschte, dass sie mit ihrem Spott seine Besorgnis zerstreute, sagte er: »Ich möchte bloß, dass du vorsichtig bist, wenn wir im Schloss ankommen.«
Entgegen seiner Erwartung sah Julie ihn nur einen Augenblick lang ernst an und sagte ruhig: »Das werde ich, und du auch.«

Einige Stunden später hatten sie bereits ein gutes Stück des Weges zurückgelegt und Julie konnte sich an der vorüberziehenden Landschaft kaum satt sehen. Als sie weiter nach Norden kamen, tauchten immer mehr von den Hügeln auf, die so charakteristisch für Nordengland waren, und in den Tälern dazwischen lagen pittoreske Dörfer und kleinere Städte verstreut.
Julie warf einen Seitenblick zu Peter, der am Steuer saß und schon recht erschöpft wirkte, deshalb unterdrückte sie ihren egoistischen Wunsch, einfach weiter aus dem Fenster zu schauen. »Lass mich jetzt mal fahren, schlug sie ihm schließlich vor.
Peter nickte dankbar, denn, obwohl er müde war, hätte er es nicht ohne weiteres zugegeben. Er hielt an, und sie wechselten die Plätze. »Es ist nicht mehr weit«, erklärte er ihr, du musst jetzt einfach da raus fahren und dann ...«
»Schon gut«, unterbrach Julie ihn lachend. »Ich weiß, wie man eine Karte liest und einen Führerschein habe ich auch«.
Bei der Erinnerung an ihren Führerschein mussten beide lächeln, aber es kam nicht zu einem Erinnerungsaustausch, denn Peters Augen fielen zu, und kurze Zeit später war er eingeschlafen.

Irgendwo auf Schloss Lerouge erwachte Frederik aus seiner Lethargie. Er wusste nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war, seit er das letzte Mal Menschen gesehen hatte. Irgendwann, vor langer Zeit, hatte er aufgehört die Tage, Wochen, Jahre zu zählen. Er wusste nur, dass es sehr, sehr lange her war. Er war zur Einsamkeit verdammt.
»Wenn es mir möglich wäre, ich wäre daran gestorben, aber nicht einmal diesen Ausweg haben sie mir gelassen!« dachte er voll bitteren Zorns.
Doch er bereute nichts, zu diesem Gefühl war er nicht länger fähig. Er verfluchte diejenigen, die ihn dazu verurteilt hatten, sie und alle anderen Menschen. Und weder die
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