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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer
Autoren: David Kenlock
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rechten Hosentasche befand. Er musste sich regelrecht verdrehen, damit die Finger hineinfassen konnten. Dann war es geschafft. Er fühlte den Schlüssel, zog ihn heraus und verlor ihn gleich wieder, als er seinen zitternden Fingern entglitt.
    Beruhige dich, ermahnte er sich.
    Steve bückte sich nach dem Schlüssel, der neben dem linken Vorderreifen ins feuchte Gras gefallen war, als eine Kugel direkt neben seinem Kopf in die Fahrertür schlug.
    Plonk!
    Zwei weitere Schüsse wurden abgefeuert.
    Einer riss die Erde vor seinen Füßen auf, spritzte ihm Dreck ins Gesicht, der andere prallte am Rückspiegel ab.
    Steve warf sich ungeachtet seiner Schulterwunde zu Boden und robbte zu einem zerzausten Schlehenbusch.
    Die Waffe schwieg einen Augenblick, dann wurden zwei weitere Schüsse auf ihn abgegeben, die ihn aber weit verfehlten. Noch wusste sein Gegner nicht, wo er sich gerade befand, konnte ihn wegen der dichten Zweige nicht sehen, aber das konnte sich jeden Moment ändern, wenn der andere sich entschloss, nach ihm zu suchen.
    So leise wie möglich kroch Steve tiefer in das Dickicht hinein.

25. Kapitel

    Steve hatte Schutz hinter dem Stamm einer umgestürzten Schwarzfichte gefunden. Der Regen fiel wieder in dicken Tropfen vom bleigrauen Himmel und durchnässte seine Kleidung. Obwohl ein kühler Wind wehte, schwitzte er.
    Er war erschöpft, hatte nicht mehr die Kraft, weiter zu fliehen. Seine Zähne klapperten so hart aufeinander, dass sein Kiefer schmerzte.
    Der Wald atmete dampfende, bleiche Schwaden aus, die durch die Büsche krochen und ihm die Sicht nahmen.
    Es war still. So als hätte alles Leben diesen Ort verlassen. Früher war er oft hier gewesen. Vor langer Zeit.
    Der Regen schien nachzulassen. Nur noch vereinzelt fielen Tropfen auf ihn herab.
    Die Schusswunde in seiner rechten Schulter blutete nicht mehr, aber ein dumpfes, schmerzhaftes Pochen hatte den Schock der Verletzung verdrängt. Seine klammen Finger tasteten das Loch im groben Stoff der alten Wanderjacke ab. Es hatte ihn ordentlich erwischt. Als er die Hand wieder herauszog, war sie blutverschmiert.
    Er hatte Angst. Mehr Angst als je zuvor in seinem Leben.
    Ihm war speiübel, und er musste all seine Willenskraft aufbieten, um sich nicht zu übergeben. Ein Zittern durchlief ihn und ließ ihn frösteln.
    Ich muss weiter, dachte er. Wenn ich bleibe, werde ich sterben.
    Aber alle Kraft hatte ihn verlassen. Sein Wille, der ihn die letzten Wochen hatte durchstehen lassen, war gebrochen.
    Ich muss weiter , hämmerte es in seinem Gehirn.
    Mit zusammengepressten Zähnen rollte er sich herum, bis seine verletzte Schulter entlastet wurde. Sein Rücken lehnte jetzt an der rauen Rinde des Stammes, und die neue Position ließ ihn nach wenigen Augenblicken schläfrig werden. Die Augen fielen zu. In den einsetzenden wirren Träumen verlor er sich für eine kurze Weile, und der Schmerz wurde von Bildern aus glücklicheren Tagen ersetzt.
    Als er wieder erwachte, schien nur wenig Zeit vergangen zu sein. Trotzdem fluchte er leise über seine Dummheit. Da draußen, zwischen den Bäumen, machte jemand Jagd auf ihn, wollte ihn töten, und er war eingeschlafen. Er schob seinen Kopf über den Baumstamm und spähte in den Wald.
    Nichts. Kein Geräusch war zu hören. Hatte sein Jäger aufgegeben? Wohl kaum. Wer immer auch hinter ihm her war, wusste, dass die Beute hilflos und verwundet war. Nun war die Beute gestellt.
    Ohne dass er sich dessen bewusst war, fuhr seine Zunge über die aufgesprungenen, trockenen Lippen.
    Wo mochte sein Jäger jetzt sein?
    Die Antwort kam unerwartet. Die kalte Mündung eines Revolvers presste sich in seinen Nacken. Seine Halsmuskeln verkrampften sich und weckten den lauernden Schmerz in der Schulter. Panische Angst ließ ihn keuchen.
    Der Druck der Waffe nahm weder zu noch ab. Kein Wort wurde gesprochen.
    Soll ich sterben, ohne noch einmal eine menschliche Stimme gehört zu haben?
    Wie eine Puppe, deren Fäden von einem unsichtbaren Meister bewegt werden, wandte er den Kopf.
    Eine Sekunde lang weigerte sich sein Verstand zu begreifen, aber dann wurde aus den verschwommenen Farben ein Gesicht.
    „Du?“, war das Einzige, das er in diesem Augenblick sagen konnte.
    Er hatte die Augen geschlossen, als der Schuss fiel, dessen Echo alle verbliebenen Laute im Wald ersterben ließ.

    John Chen stand noch. Die Kugel war in seinen Rücken eingedrungen und hatte dann den Brustkorb durchschlagen. Fassungslos, mit geöffnetem Mund, blickte er an sich
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