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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling
Autoren: Doris Bezler
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muss mich vom Fenster aus gesehen haben und hat sich mir an die Fersen gehängt. Er wollte unbedingt Schorsch an der Leine führen, aber der läuft lieber frei und Justin bettelte, ich solle ihn anleinen. Mann, dieser Justin nervt! Ob er Maurice seinerzeit auch so auf den Keks ging? Bestimmt! Eigentlich sollte ich netter zu ihm sein, schließlich habe ich ihn von Maurice geerbt.
    Irgendwie sind wir dann auch am Bentheim-Schlösschen vorbeigekommen. Da wurde Justin ganz unruhig und zitterte sich einen ab. Er starrte durch den Gartenzaun. Der alte Köhler war damit beschäftigt, die Gartenwege zu kehren. Als würde das jemanden interessieren, sind doch alle in Urlaub! Als er uns sah, rastete er wie üblich gleich aus. Was wir denn da zu glotzen hätten, asoziales Pack! Justin zischte sofort ab wie Schmitts Katze! Da hatte ich ihn wenigstens los. Ich ließ mich von dem Alten nicht kirre machen, ganz im Gegenteil. Ich blieb schön cool und schaute erst recht durch den Zaun und das Haus rauf und runter. (Vor einem halben Jahr hätte ich mich das noch nicht getraut und hätte voll die Panik bekommen. Aber inzwischen weiß ich es besser. Das habe ich von Maurice gelernt. Der soll auch immer cool geblieben sein und hat sich nicht aus dem Takt bringen lassen.) Der alte Köhler kam an und meinte, er wolle jetzt die Polizei holen, weil es so aussähe, als hätte ich vor einzubrechen.
    Ey, Mann, sagte ich, machen Sie sich mal locker! Wenn ich hier rein will, dann lässt mich meine Freundin rein, da brauch ich nicht einzubrechen.
    Die ist nicht da, hat der Alte geknurrt.
    Klar, weiß ich, hab ich gesagt, und mich insgeheim gefreut, dass er Chiara ohne Protest als meine Freundin verbucht. Am Haus waren überall die Läden zugeklappt und das sind eine Menge bei diesem Riesenbunker. Zwölf Zimmer hat mir Chiara einmal gesagt. Und hat mir dann sogar Maurice’ Zimmer gezeigt. Das war echt ein Schock für den edlen Herrn von Bentheim, als er uns dort erwischt hat. Ich dachte, der kriegt jetzt einen Infarkt.
    Aber Moment mal, ich wollte ja eigentlich alles von Anfang an aufschreiben! Also noch mal zurück auf Start. Sommer 2012. 14. Juli kamen wir mit dem Möbelwagen in Omas Haus an. Nicht mit einer Umzugsfirma, nee, das wäre zu teuer gekommen, sondern mit einem geliehenen Laster von einem Ex-Arbeitskollegen von Andreas. Immerhin gab es eine Hebebühne! Trotzdem war das eine elende Schlepperei. Heute würde ich diese Kisten locker tragen können, aber damals hatte ich noch nicht die Muckis dazu. Wochenlang habe ich mitgeholfen, Möbel zusammenzubauen, Kisten auszupacken. Max, komm doch mal! Max, tu doch mal! Und der gute Max von damals hat alles gemacht. Vielleicht haben sie mich nur deswegen genommen, weil sie einen billigen Haussklaven haben wollten. Das meine ich ernst. Es soll Leute geben, die sich Kinder zulegen, weil sie einen Organspender brauchen!
    Bei dem ganzen Trubel – große Katastrophe – hatte ich total vergessen, dass Sonja am 13. August ihren 50. Geburtstag feiert. Für mich war der Tag aus einem völlig anderen Grund wichtig: Es war der erste Schultag nach den Ferien. Eigentlich hätte ich locker in meiner alten Schule bleiben können. Allerdings hätte ich dann täglich mit der S-Bahn hinfahren müssen, was gleich abschlägig beschieden wurde: Zu teuer für uns, Max! Du gehst auf die Modertaler Gesamtschule! Da kannst du zu Fuß hingehen, und es ist auch noch ein schöner und ungefährlicher Weg durch das Wäldchen.
    Super! So was können einem eigentlich nur Feinde wünschen. (!)
    Einen Riesenschulbunker haben sie da mitten in die Äcker gesetzt mit gefühlten zehntausend Schülern, die dich alle anglotzen als kämest du gerade frisch vom Mars. Die Klasse 10e, in die ich sollte, war der absolute Gipfel. Kaum stand ich vorne neben dem Lehrer, hatte ich schon das erste durchgekaute Papierkügelchen auf dem Kittel. Wer war das?, knatschte der Lehrer. Erstaunlicherweise (haha) meldete sich keiner. Und so ließ er es auf sich beruhen. Damit war ihnen klar, was sie sich mit mir erlauben können.
    Der Lehrer damals in der ersten Stunde war unser Biolehrer, Herr Pöppel, den alle Popel nennen. Er machte Vertretung für den Klassenlehrer, Herrn Weigmann. Bei dem hätten sie anders gespurt und ich hätte einen besseren Start gehabt.
    Der Pöppel war sauer wegen der Vertretung und sagte ziemlich lustlos: Darf ich euch einen neuen Mitschüler, den Max, vorstellen? Einige guckten zum Fenster raus, einige tippten unter der
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