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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn
Autoren: Wulf Dorn
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Vermutung. Aber denkbar wäre es.«
    Jan runzelte die Stirn. »Aber warum wendet sich Nowak dann an mich und will meine fachliche Meinung wissen ? Wenn er sich von dieser Frau bedroht gefühlt hätte, wäre er doch sicherlich zu Ihnen gekommen.«
    »Offen gesagt habe ich keine Ahnung«, gestand Kröger. »Vielleicht hatte das eine mit dem anderen ja gar nichts zu tun. Wie auch immer, der Fall geht jetzt ohnehin an die Kripo. Hauptkommissar Stark wird sich darum kümmern. Er ist schon auf dem Weg hierher. Wahrscheinlich wird ihn der Regen aufgehalten haben.« Er sah zum Himmel auf. »Dieser verfluchte Regen. Als ob einem das alles hier nicht schon genug auf die Stimmung schlägt.«
    Der Polizist stieß einen tiefen Seufzer aus, und als er sich Jan erneut zuwandte, war die Falte zwischen seinen Brauen wieder tiefer geworden. »Tja, ich werde dann mal weitermachen. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben.«
    »Keine Ursache. Sie können sich jederzeit wieder an mich wenden.«
    Kröger wich Jans Blick aus und zog sich seine Mütze tiefer ins Gesicht. »Ich weiß. Vielleicht werde ich das auch. Irgendwann.« Er rieb sich die Brust und ging durch den Regen davon.

5
    Am nächsten Morgen, pünktlich um halb acht, hielt ein taubenblauer Opel Kadett vor der Fahlenberger Christophorus-Kirche. Es war ein altes E-Modell, Baujahr 1985,
das aber immer noch aussah, als sei es erst vor kurzem vom Band gelaufen.
    Die Fahrerin dieses gepflegten Oldtimers hieß Edith Badtke. Sie war gleichzeitig Haushälterin und Sekretärin der Pfarrei, und das nun schon seit mehr als sechsundzwanzig Jahren. Wie immer war sie in konservatives Grau gekleidet und hatte die Haare zu einem strengen Dutt zusammengesteckt. Ihr Erscheinungsbild und die kantigen Gesichtszüge hätten leicht auf eine pedantische und humorlose Persönlichkeit schließen lassen, doch wer Edith Badtke ein wenig näher kennenlernte, entdeckte schnell den liebenswerten Kern unter der nüchternen Schale.
    Seit sie im Dienst der katholischen Kirche stand, hatte sie für sechs Pfarrer gearbeitet, und jeder von ihnen hatte sie schon nach kurzer Zeit ins Herz geschlossen. Sie war pünktlich, zuverlässig und korrekt und zeigte dennoch Verständnis für die kleinen Schwächen ihres jeweiligen Vorgesetzten. Im Gegensatz zu ihrem Exmann, der sie bereits nach zwei Jahren verlassen hatte, weil ihn ihre zwanghafte Ordnungsliebe angeblich »in den Wahnsinn« trieb, wussten die Herren Pfarrer die Qualitäten ihrer »guten Seele« sehr wohl zu schätzen.
    Die Dinge müssen einfach ihre Ordnung haben , war ihre Devise, und dazu gehörte auch der Blumenschmuck am Altar, den sie allwöchentlich erneuerte. So auch heute.
    Im Innern ihres Wagens roch es wie auf einer Frühlingswiese, denn auf der Rückband lagen säuberlich aufgereiht vier Gestecke und zwei Sträuße, die sie wie jeden Montagmorgen vor der Arbeit bei Bruni Kögels Blumenladen abgeholt hatte.
    Sie nahm zuerst die beiden Sträuße von der Plastikfolie, mit der sie den Rücksitzbezug schützte, und bugsierte sie vorsichtig aus dem Wagen, um keinen Blütenstaub zu verteilen.
Dann huschte sie durch den Regen zum Seiteneingang der Kirche.
    An der Tür angelangt, beschloss sie, dass es wieder einmal an der Zeit war, ein ernstes Wort mit Josef Seif zu reden. Seif war Kunstschmied und hatte bereits vor über einem Monat die Reparatur des antiken Türschlosses versprochen. Doch außer dem Ausbau des kaputten Schlosses und einer provisorischen Drahtlösung war noch nichts geschehen.
    »So kann das nicht weitergehen«, murmelte sie, entfernte die Drahtschlaufe, drückte die schwere Eichenholztür auf und schob sich mit den beiden Sträußen in die Kirche.
    Drinnen angekommen, legte sie die Blumen behutsam auf dem Steinboden ab, zückte ein Taschentuch und tupfte sich die Regentropfen aus dem Gesicht. Als sie die beiden Sträuße wieder aufhob und sich umdrehte, fiel ihr eine Veränderung auf. Eine beunruhigende Veränderung.
    In der Kirche war es wärmer als sonst. Das klassizistische Gotteshaus stammte aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert und war trotz zahlreicher Renovierungen schlecht isoliert. In besonders kalten Wintern konnte man den eigenen Atem sehen, wenn man im zugigen Mittelschiff stand oder in einer der Gebetsbänke kniete. Und auch heute, wo draußen der Herbststurm heulte, hätte es hier sehr viel kälter sein müssen. Aber nun spürte sie einen warmen Luftzug, der vom vorderen Teil der Kirche zu ihr wehte.
    Mit
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