Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Tod: Louise Boní und der Fall Calambert (German Edition)

Dunkler Tod: Louise Boní und der Fall Calambert (German Edition)

Titel: Dunkler Tod: Louise Boní und der Fall Calambert (German Edition)
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
hatte. Gestern Abend Hermine Schwarzers Dorf, am Morgen die L134 bei Gündlingen, am Vormittag Bötzingen, zuletzt nahe Munzingen.
    »Sie stirbt ihm weg, und er dreht durch«, sagte Lederle, während sie mit Blaulicht auf kaum erkennbaren Straßen Richtung Munzingen fuhren. Er war ein sicherer Fahrer, keine vereiste, schneeverkrustete Fahrspur dieser Welt brachte ihn in Bedrängnis. »Warum stellt er sich nicht? Dann wär doch alles vorbei.«
    »Er hat Angst vor dem, was danach kommt«, erwiderte Louise.
    »Und macht alles nur noch schlimmer.«
    Das Mädchen auf dem Foto zuckte durch ihr Bewusstsein, Annetta auf dem elterlichen Sofa, dann sauste sie mit dem Skateboard über ein verschneites Feld, lag plötzlich auf einem Schiffsdeck im Liegestuhl, der Vater rannte durch das Bild, die Mutter, beide riefen einen Namen, aber nicht den ihrer Tochter, sie riefen: »Louise!«
    Sie rieb sich die Augen, zwang sich zur Konzentration.
    Immer nur allein gesehen … Entweder lag Annetta auf der Rückbank – oder im Kofferraum.
    Es schneite wieder. Lederle ließ den Scheibenwischer laufen, an den Kotflügeln wuchsen Schneehaufen, viel weiter sah man nicht. Bermann rief an, Louise stellte laut. Einer der neuen Zeugen hatte sich den Anfang des Kennzeichens gemerkt, sie wussten jetzt, wem der weiße Peugeot gehörte, und weil die Beschreibung der anderen Zeugen den französischen Kollegen zufolge auf den Halter passte, wussten sie jetzt auch, wen sie jagten: René Calambert, Lehrer in Paris, verheiratet, eine Tochter.
    »Ich fasse es nicht«, murmelte Lederle.
    »Hat er ein Handy?«, fragte Louise.
    »Ja«, erwiderte Bermanns Stimme. Sie versuchten gerade, es zu orten, doch vermutlich sei es ausgeschaltet.
    »Vielleicht meldet er sich bei seiner Frau«, sagte Louise. »Er ist in Panik, er weiß nicht, was er tun soll.«
    Kurz darauf rief Bermann erneut an. Calamberts Telefon war nicht zu orten. »Wo seid ihr?«
    »Gleich in Munzingen«, sagte Louise, den Finger auf der Straßenkarte. »Von Dings, Tiengen aus.«
    »Wartet am Ortseingang.«
    Sie sahen Bermanns Dienstwagen erst, als sie kaum fünfzehn Meter entfernt waren, eine schwer schwarze Limousine, tief geduckt in Schneeverwehungen. Bermann stand, das Telefon am Ohr, inmitten von Atemwölkchen und Schneeflocken zwischen den Lichtkreisen, die zu hoch eingestellt waren und Louise in den Augen schmerzten. Drei, vier Köpfe im Wagen, Kollegen aus der Soko. Bermann hob die Hand, deutete nach Westen in den Himmel.
    Louise wandte den Kopf, sah nichts, dann, winzig und kaum wahrnehmbar, ein rotes Blinken, schließlich auch ein grünes. »Der Heli hat ihn«, sagte sie angespannt. Noch bevor der Wagen ausgerollt war, sprang sie ins Freie. Ein leises Klirren in der rechten Anoraktasche, während sie zu Bermann rannte, sie klirrte jetzt beim Laufen, dachte sie, daran musste man sich eben gewöhnen. In der Ferne war der Hubschrauber zu hören. »Hat er ihn?«
    »Er hatte ihn«, sagte Bermann und steckte das Telefon weg. »Hat ihn wieder verloren.«
    »Scheiße!« Ganz plötzlich kroch ihr die Kälte in den erhitzten Leib, tief hinein in die innersten Schichten wie bei Schüttelfrost. Die Zähne klapperten sekundenlang, dann hatte sie die Muskeln unter Kontrolle.
    Ein dritter Wagen mit Kollegen war zu ihnen gestoßen. Im Konvoi folgten sie einem Sträßchen, das nach Südwesten verlief, in Richtung des Hubschraubers, der noch immer nahezu reglos im grauen Himmel stand. Bermanns Wagen, der vornweg fuhr, bremste plötzlich, alle hielten. Linker Hand führte ein etwas breiterer Weg durch tiefen Schnee ins Nichts, rechts begann ein kahles Wäldchen.
    Nachdem sie sich um Bermann versammelt hatten, deutete er nach links, das Telefon in der Hand. »Hundertfünfzig Meter weiter liegt ein aufgegebener Hof. Wohnhaus, Schuppen, eine Scheune, alles ziemlich verfallen, aber für jemanden, der ein Versteck und Wärme sucht, reicht es.«
    »Und der Wagen?«, fragte ein Kollege.
    »Passt in die Scheune.«
    »Und das hier ist die Zufahrt?«
    »Nein«, erwiderte Bermann gereizt. »Das ist im Sommer ein Scheißwanderweg. Aber von hier aus sind wir schneller dort als über die Zufahrt.«
    »Das ergibt keinen Sinn«, sagte Louise.
    Bermann hob entnervt die Brauen. »Was?«
    »Er denkt nicht mehr nach, er ist in Panik – er sucht kein Versteck oder einen Unterschlupf. Das Mädchen ist schwer verletzt, aber er bringt sie nicht ins Krankenhaus, stattdessen fährt er stundenlang, vielleicht tagelang durch die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher