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Dunkler Schnee (German Edition)

Dunkler Schnee (German Edition)

Titel: Dunkler Schnee (German Edition)
Autoren: Barbara Klein
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rot gefärbten Haaren, die durch eine Dauerwelle fülliger wirken sollten, als sie waren, schien Elke ein Relikt aus den 80er Jahren zu sein. Sie war immer gut gelaunt und immer verfügbar, wenn Marisa Gesellschaft suchte. Die Freundschaft beschränkte sich jedoch auf die Reichweite des Arbeitsfeldes. Privat besuchten sich die Kolleginnen nicht; das war wie eine unausgesprochene Übereinkunft zwischen ihnen.
    „Ich weiß nicht recht – irgendwie dachte ich, dass es besser ist, wenn wirklich keiner über uns Bescheid weiß. Bist du mir böse?“
    „Quatsch! Böse bin ich nicht. Vielleicht ein bisschen enttäuscht, aber das kannst du mit einem Polterabend wieder wettmachen!“ Elke zwinkerte.
    „Und zur Hochzeit bist du auch herzlich eingeladen!“, fügte Marisa an und dachte: wann auch immer.
    Laurens kam lachend aus Georgs Büro und drängelte sich an den Frauen vorbei. Er hauchte einen Kuss auf Marisas Wange und zwinkerte Elke verschwörerisch zu. „Nichts verraten!“, flüsterte er und rief seine nächste Patientin auf.
    Marisa ging sich die Hände waschen, um anschließend auch ihren nächsten Kunden zu behandeln.
    Dass der Hochzeitstermin immer noch nicht festgelegt war, wurmte sie entsetzlich. Sie drückte mehrfach auf den Seifenspender und ärgerte sich zum hundertsten Mal, dass alles ungeklärt war. Außer dass sie heiraten wollten, stand gar nichts fest. Sie bemerkte, dass sie längst genug Seife auf der Hand hatte, und fing mechanisch an, die Hände zu waschen. Ihren 30igsten Geburtstag hatte sie vergangene Woche groß gefeiert, und das Thema Hochzeit war in aller Munde, doch sobald sich ein Termin herauskristallisieren wollte, kam prompt ein Einspruch. Dauernd gab es Probleme mit Laurens’ Familie, die ungebremst und in kompletter Anzahl aus Baden-Württemberg anreisen wollte. Doch die Vielzahl an Menschen auf einem Termin zu versammeln, schien bisher ein unmögliches Unterfangen zu sein. Marisa kannte weder Laurens’ Eltern noch jemanden von seinen Geschwistern. Er hatte vor langer Zeit seiner Heimat den Rücken gekehrt und hielt über Telefon und sporadische Besuche den Kontakt. Laurens kam regelmäßig mit trauriger Miene vom Telefonat mit seiner Familie zu Marisa, um ihr mitzuteilen, man habe sich immer noch nicht auf ein Datum gefunden. Marisas Einwand, sie könnten doch einfach einen Termin festlegen und alle hätten sich danach zu richten, wurde von ihm abgeschmettert. „Kannst du nicht verstehen, dass ich alle bei diesem großen Schritt dabeihaben möchte?“ Mit vorwurfsvollem Ton und beleidigtem Blick bat er sie um Geduld. Doch Marisa wusste nicht, wie lange sie geduldig sein wollte. Sie hatten nichts in die Wege geleitet, der Ehevertrag war besprochen, aber nicht unterschrieben, es gab noch keine Einladungsliste, keine Menüfolge, nichts war erledigt. „Wir brauchen erst den Termin, dann legen wir los“, war Laurens‘ übliche Antwort. Marisa blickte in den Spiegel über dem Waschbecken. Unter den Augen hatte sie Schatten, schwach zwar, aber zu sehen. Sie schlief nicht gut in den letzten Wochen. Nachdem die erste Euphorie über die Hochzeit abgeklungen war, kam der Alltag still zurück, legte sich wie eine Klammer um die beiden Physiotherapeuten. Sie hatten oft zu versetzten Zeiten Dienst zu leisten, selten war es, dass sie zu gemeinsamen Mahlzeiten zusammenfanden, und es häufte sich, dass sich der eine müde umdrehte, wenn der andere Akzente für ein paar erotische Stunden setzen wollte. Es lief nicht mehr. Marisa versuchte an den Anfang dieser Durststrecke zurückzugehen, doch ihr Gedächtnis enttäuschte sie, führte sie nur immer wieder nach Kanada, wo das Leben sinnlich leicht und voller Entdeckungen schien. Sie seufzte kurz, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und ging in die Kabine, wo der Patient wartete.
    „Hallo, Sie sind …“, sie schaute auf die Karteikarte, die sie von der Kollegin an der Anmeldung bekommen hatte, „Herr Volker Meerbusch; ich bin Marisa Demmer, was führt Sie zu uns?“ Sie gab ihm die Hand, zog sich ihren Hocker heran und setzte sich zu dem Mann, der auf der Liege saß und wartete. Anhand der Karte erfuhr sie, dass er fünf Jahre älter als sie war. Sie schaute ihn prüfend an und stellte fest, dass sie ihn älter geschätzt hätte. Sie blickte noch einmal auf die Karte, ob ihre Kollegin weitere Informationen eingetragen hatte, und fühlte sich von den dunklen Augen des Mannes beobachtet. „Nun“, fragte sie, „welche Beschwerden haben
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