Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
nichts ändern. Aber warum bleiben wir?« Sie erhob sich. Sie hatte keine Handtasche; ihre Arme irrten umher, als suchten sie den Kinderwagen. In der Tür blieb sie stehen. »Das Allerschlimmste, wissen Sie, was das ist?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Er hat keinen Namen.« Sie setzte sich in Bewegung, drehte sich aber noch ein letztes Mal um. »Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Und das ist die Strafe.«
    Ihr Rücken verschwand hinter den Türen des Fahrstuhls, zu dem er sie begleitet hatte. Er ging in sein Büro und knallte mit der Tür. Endlich! Zwei Blonde in einem grünen Auto. Zipp und Andreas.
     
    Zwei Beamte sollten Siver Skorpe holen. Seine Mutter stand in der Tür und betrachtete sie mit wachsender Besorgnis. »Er kommt nachts immer nach Hause«, erklärte sie unerschütterlich. Sie fuhren einige Runden durch die Stadt und hielten nach ihm Ausschau. Sejer bat, unverzüglich informiert zu werden, wenn sie ihn fänden. Dann fuhr er nach Hause. Hielt an einer Shell-Tankstelle. Steckte beim Bezahlen am Tresen eine CD ein. Sara Brightman. Nice Price. Es herrschte dichter Verkehr, ein gleichmäßiges Rauschen, das er kaum hörte. Während der Fahrt dachte er an seinen Arbeitstag zurück. Der bestand für ihn darin, mit kleinen und großen Ereignissen vorschriftsmäßig umzugehen. Für andere war das Schlimmste passiert. Er hatte damit zu tun, konnte es aber verarbeiten, zu den Akten nehmen. War er aus einem anderen Stoff als andere? Manche Menschen hätten seinen Beruf nicht ausüben können. Er hatte sich so viel gefallen lassen müssen auf dem Weg zu seinem Posten als Hauptkommissar. Suff und Streit, vollgekotzte Uniform. Scheiß Drecksbulle, Bullenwichser. Die vielen Wiedergänger. Menschen ohne Willen, Kraft und Möglichkeiten. Und, schlimmer noch, hin und wieder Menschen ohne Skrupel. Reue oder Angst. Obwohl er glaubte, sich seine Menschlichkeit weitestgehend bewahrt zu haben, konnte er sich dagegen abschotten. Sich zum Essen hinsetzen. Es hinter sich lassen, wie Robert gesagt hatte. Sein nächtlicher Schlaf wurde nur selten gestört, und wenn, dann zumeist, weil es ihn juckte, an den Ellbogen oder in den Kniekehlen. Obwohl sein Ekzem besser geworden war. Als er die Tür aufgeschlossen und ausgiebig das Wiedersehen mit Kollberg gefeiert hatte, entdeckte er Sara. Sie trug nur Unterhemd und Unterhose, hatte zerzauste Haare und rote Wangen.
    »Was ist los?« fragte er unsicher.
    »Yoga«, sie lächelte, »ich hab ein paar Übungen gemacht.«
    »Ohne Kleider?«
    Sie lachte und erklärte, wie schwierig ein Kopfstand mit einem Rock zu bewerkstelligen sei. Das müsse er doch einsehen.
    »Du solltest auch ein paar von den Übungen lernen. Ich kann dir helfen.«
    »Ich will nicht auf dem Kopf stehen.«
    »Hast du Angst, du könntest eine neue Perspektive finden?«
    Er zuckte mit den Schultern. War es dafür nicht reichlich spät? Er war doch schon über fünfzig.
    »Was Spannendes passiert?« fragte sie, während sie in ihren Rock stieg und eine Bluse überstreifte.
    Er wollte sie beim Anziehen nicht anstarren, deshalb ging er in die Küche und schaltete das Licht über dem Herd ein. Sie kam auf bloßen Füßen hinterher.
    »Nein«, sagte er leise. »Nichts Spannendes.«
    Etwas an seiner Stimme beunruhigte sie.
    »Robert«, sagte er leise. »Er ist tot.«
    Sie runzelte die Stirn. »Anitas Freund?«
    »Sie haben ihn in der Zelle gefunden.«
    »Wie?« fragte sie. Fachliches Interesse. Sie hatte solche Dinge ja an ihrem eigenen Arbeitsplatz erlebt. Vielleicht sogar häufig.
    »Er hat sein Hemd zerrissen und sich damit aufgehängt. Am Griff der Kleiderschranktür.«
    Er ging ins Wohnzimmer. Zog die CD aus der Tasche und legte sie auf. Fand sein Lieblingsstück, »Who Wants to Live Forever«.
    Jetzt hatte er fünfhundertsiebenunddreißig CDs, alle von Frauen. Er ließ sich in den Sessel fallen. Dachte an die ungeheure Willenskraft, die es erfordert, sich im Knien zu erhängen. Diesen Willen hätte der Junge für sein neues Leben verwenden können. Kollberg kam schwanzwedelnd angelaufen und ließ sich zu seinen Füßen nieder. Er bückte sich und nahm den großen Hundekopf zwischen die Hände. Starrte in die schwarzen Augen. Betastete die Schnauze. Die fühlte sich genau richtig an, kühl und feucht. Er hob die seidenweichen Ohren hoch und schaute hinein. Sie sahen tadellos aus und rochen nicht. Er fuhr mit den Fingern durch das zottige Fell, das dichter und blanker war denn je, rötlichgelb, mit einigen helleren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher