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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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stand. »›Saga Sonnenreisen. Saubere Luft, kristallklares Wasser.‹ Ich weiß«, sagte er. »Fahr doch mal in Richtung Furulund.« Er sprach sanft, wie zu einem Kind. Er kam gar nicht auf die Idee, daß jemand ihm widersprechen könnte.
    »Furulund? Wieso denn?«
    »Da ist es still.«
    »Aber Kohle, Andreas!«
    »Genau«, sagte Andreas ruhig.
    Zipp wendete auf der Stelle, und Andreas zog einen Kamm aus der Tasche und kämmte seine üppige Mähne.
    »Scharf auf Frauen?« neckte Zipp. »Und zur Abwechslung mal auf was Jüngeres?«
    Andreas kämpfte mit seinen Locken. »Halt die Klappe und fahr.«
    Zipp verlangte dem Golf das äußerste ab. Sie fuhren am Sprengkörperwerk vorbei und folgten dann dem Fjord. Andreas hielt Ausschau. Nach fünf Minuten bat er Zipp, das Tempo zu drosseln. Ein Radfahrer kam ihnen entgegen, ein Mann von Mitte Vierzig auf einem Rennrad. Er hatte einen Rucksack auf dem Rücken, trug einen Helm und Fahrhandschuhe und legte ein wildes Tempo vor. Andreas verlor das Interesse an ihm. Sie kamen zu einem Naherholungsgelände. Es gab dort eine brauchbare Badestelle, Bänke, Tische und einige Grillplätze, die im Sommer fleißig genutzt wurden.
    »Nach rechts«, befahl Andreas.
    »Da ist doch bloß ein mieser Kiosk, und der hat im Herbst geschlossen«, protestierte Zipp.
    »Da sind Leute«, sagte Andreas. »Freizeitgelände. Wenn wir Glück haben, finden wir eine Alte mit Handtasche.«
    Vorsichtig steuerte Zipp aufs Wasser zu.
    »Langsamer. Wir sind fremd hier, wir suchen etwas.«
    »Wir suchen was?«
    Andreas schüttelte ungläubig den Kopf. »Wir halten und fragen nach dem Weg.«
    »Wen denn?«
    »Den nächsten, der auftaucht«, stöhnte Andreas. Die Einfalt seines Kumpels war einfach unerträglich.
    »Scheißleben in einer Gesellschaft, die für einen halben Liter vierzig Kronen verlangt. Wenn wir heute abend was erleben wollen, brauchen wir einen Tausender«, meinte Zipp.
    Die Wellen klatschten gegen den Strand. Graugrün, schäumend und eiskalt. Das alte Klubhaus wirkte mehr als baufällig. Ramponierte Gartenmöbel waren davor gestapelt, und die Scheite für ein Johannisfeuer waren nie angezündet worden. Es war ein trockener Sommer gewesen. Sie fuhren auf einen Parkplatz und schauten sich um. In der Ferne sahen sie jemanden über den Strand gehen. Andreas öffnete das Handschuhfach und nahm eine blaue Mütze heraus. Er zog sie sich in die Stirn und stopfte die Locken darunter. Zipp grinste, als er die Aufschrift sah.
    »Holy Riders. Unterwegs für Jesus. Mann, du siehst ja vielleicht bescheuert aus.«
    Ein heftiger Wind wehte. Andreas hielt einen Fuß aus dem Wagen.
    »Eine Alte«, sagte er kurz. »Mit Kinderwagen. Geil.«
    »Wieso?«
    »Sie sind so hilflos, wenn sie einen Kinderwagen schieben.« Er drehte sich um und schaute Zipp an. »Denk an das, was da drin liegt.«
    »Was hast du denn vor?«
    Zipp war nervös. Protestieren konnte er nicht, sie gehörten zusammen, machten alles zusammen. Aber er hatte schon manches Mal gedacht, daß sie eines Tages zu weit gehen würden. Ihre Grenze war auf unangenehme Weise dehnbar. Andreas hatte das Messer am Gürtel, versteckt unter seinem Hemd.
    »Zuerst müssen wir rausfinden, ob sie eine Handtasche hat. Wenn sie in der Nähe wohnt, dann liegt die Tasche bei ihr zu Hause. Sonst haben alle Tussen eine Tasche.«
    Sie sahen zu, wie die Gestalt langsam näher kam. Sie schob den Wagen am Wasser entlang; die Räder versanken im lockeren Sand. Sie war sehr groß und trug ein Kopftuch und einen hellen Mantel, der im Wind flatterte.
    »Die ist ja zwei Meter groß«, sagte Zipp, der selbst eins siebzig maß.
    »Spielt keine Rolle. Frauen haben ja kaum Muskeln.«
    Jetzt hatte sie das Auto entdeckt. Sie beugte sich über den Kinderwagen und machte sich an seinem Inhalt zu schaffen. Ein blauer Deckenzipfel war zu sehen. Andreas kniff die Augen zusammen.
    »Da ist die Handtasche«, flüsterte er. »Sie liegt auf der Decke. Großartig.«
    »Wieso denn?«
    »Es ist schwieriger, wenn sie sie über der Schulter tragen.«
    Er ließ die Frau nicht aus den Augen. In Gedanken ging er seinen Angriffsplan durch. Dabei ging es nicht um Drohungen oder Gewalt, sondern um pure Raffinesse.
    »Du bleibst sitzen. Laß den Motor laufen. Such im Handschuhfach. Tu so, als wärst du in eine Karte vertieft oder so. Ich steige aus und frage nach dem Weg nach – irgendwohin. Zum Sportplatz. Ich schnappe mir ihre Tasche und komme zurückgewetzt.«
    »Sie wird sich die Nummer
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