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Dunkler Fremder

Dunkler Fremder

Titel: Dunkler Fremder
Autoren: Jack Higgins
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zurückzu kommen. Ich habe sogar Adam Crowther in
Betracht gezogen, aber der wußte nichts von meiner Beziehung zu
Jenny Green. Nur du konntest es gewesen sein, Graham. Eine ganz simple
Rechnung. Du warst der einzige, der noch übrigblieb.« Shane
verzog das Gesicht, als er hinter seinem rechten Auge einen leichten
Schmerz wahrzunehmen begann. »Das einzige, was ich noch nicht
begreife, ist, warum?«
      Graham seufzte auf und erhob sich von seinem Sessel.
Steele nutzte den Augenblick, um sich auf die Seite zu wälzen und
Shanes Beine zu umklammern. Shane kam aus dem Gleichgewicht und sank
auf ein Knie. Graham sprang vor und wand Shane mit einem geschickten
Griff die Luger aus der Hand. Shane griff vergeblich nach seinem Arm,
doch seine Finger krallten sich in Grahams Ärmel, und als der
zurückwich, riß das dünne Nylongewebe und der ganze
Ärmel blieb in Shanes Hand zurück.
      In der Stille, die folgte, stieß Shane mit einem
lauten Zischen die Luft zwischen den Zähnen aus, und die warme,
stickige Luft des Treibhauses schien sich mit einem schrecklichen,
gewichtslosen Druck auf ihn zu legen.
      Graham hielt die Luger in Hüfthöhe, sein
entblößter rechter Arm hob sich klar von dem Blau seines
Hemdes ab. Und etwas war besonders auffällig. Um seinen Unterarm
wand sich in rot und grün eine tätowierte Schlange und
darunter die Schrift: Simon und Martin – Freunde fürs Leben.
      In die herrschende Stille schrie Steele mit schwacher
Stimme: »Gib's ihm, Faulkner. Entweder ist er dran – oder
wir!«
      Shane richtete sich auf und lehnte sich wieder gegen
den eisernen Pfeiler. Der Schmerz in seinem Kopf war inzwischen sehr
viel stärker geworden, und als er sich mit der Hand über das
Gesicht strich, war sie naß von Schweiß. Als er
schließlich das Wort ergriff, klang seine Stimme, als käme
sie aus sehr weiter Ferne. »Was ist geschehen, Simon«,
fragte er. »Was ist wirklich geschehen?«
      »Meinst du in Korea?« Simon Faulkner hob
die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Ich war
derjenige, den Colonel Li sich für seine Schießübungen
ausgesucht hatte. Ich aber wollte leben – das war alles. Er hatte
sein Erschießungskommando schon draußen antreten und die
Gewehrsalve abfeuern lassen, um euch zu täuschen, doch er
ließ mich in meine Zelle zurückbringen. Vorher hatte er mir
mitgeteilt, daß er noch weitere Verwendung für mich
hätte. Ich sollte in den Gefangenenlagern im Norden als Spion
für ihn arbeiten.«
      »Und hattest du dagegen keine Bedenken?« fragte Shane.
      Faulkner zuckte wieder mit den Schultern. »Ich
hatte nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn gleich darauf
fingen die Amerikaner an, den Tempel zu bombardieren.«
      »Und wie ist es dir gelungen zu entkommen?« fragte Shane.
      Auch darauf reagierte Faulkner mit einem
Schulterzucken. »Genau so, wie ich es dir geschildert habe, als
du das erste Mal bei mir warst.« Er lachte unvermittelt auf.
»Für mich schien alles vollkommen glattzugehen, und dann
stolperte ich über diese Tretmine.«
      »Und wie konntest du deine Identität mit der von Charles Graham vertauschen?«
      Faulkner grinste und steckte eine neue Zigarette
zwischen seine deformierten Lippen. »Dafür brauchte ich
überhaupt nichts zu tun«, antwortete er. »Das ergab
sich ganz einfach. Als ich im Lazarett wieder zu mir kam, konnte ich
nicht sprechen, konnte nichts mehr sehen. Dann geschah es, daß
mich jemand mit Charles Graham ansprach. Zunächst war ich zu
geschwächt, um zu widersprechen. Ich wußte, daß Graham
tot war, denn ich hatte gesehen, was nach dem Bombardement von ihm
übriggeblieben war. Nach einer Weile durchschaute ich, was
passiert war. Die Uniform, die ich mir in Colonel Lis Büro
gegriffen hatte, war die von Graham, und danach hatten sie mich
identifiziert.«
      Er lachte rauh. »Etwas später brachten sie
dann den Oberst von unserem Regiment. Als er mich nicht wiedererkannte
und damit zu prahlen anfing, welche Wunder sie schon damals mit
plastischer Chirurgie vollbrachten, wurde mir plötzlich klar, wie
einfach für mich alles war. Da waren das Geld und das
Geschäft, die Grahams Onkel ihm hinterlassen hatte, und andere
Verwandte hatte Graham nicht. Die Operationen an meinem Gesicht
würden die Veränderung meines Aussehens erklären, und
ihr anderen lagt alle tot unter den Ruinen von diesem verdammten
Tempel.«
      Shane begann sich müde zu fühlen –
sehr müde, und seine Kopfschmerzen wurden immer stärker.
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