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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
Autoren: Marco Vichi
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anrühren, bis ich dort bin.«
    »Ja, Dottore.« Gleich nachdem Rinaldi aufgelegt hatte, rief Casini Piras an.
    »Ich komme in zehn Minuten vorbei, man hat einen Jungen im Wald verscharrt gefunden.«
    »Verdammt, das ist er …«
    »Warte vor der Haustür auf mich.« Casini zog sich hastig an und trank nicht einmal einen Kaffee, bevor er aus dem Haus ging. Nach einer durchregneten Nacht war der Himmel jetzt klar und leuchtete in einem intensiven Azurblau. San Frediano erwachte allmählich zum Leben, und an dem einen oder anderen Geschäft war das Rollgitter schon halb hochgeschoben.
    Casini trat aufs Gas und war in wenigen Minuten in der Via Gioberti. Piras stand bereits mit dunkel umränderten Augen auf dem Bürgersteig. Niedergeschlagen stieg er ins Auto, und nach einem kurzen Kopfnicken zur Begrüßung fuhr Casini weiter. Keinem von beiden war nach Reden zumute. Der dröhnende Motorenlärm des Käfers hallte in den menschenleeren Straßen wider. Ab und zu kam ihnen eine Vespa, eine Lambretta oder ein Wagen entgegen. Sie verließen die Stadt und durchquerten Grassina. Die Chiantigiana füllte sich allmählich mit Lastwagen und knatternden dreirädrigen Lieferwagen, die mit Gemüse beladen waren. Auf den Feldern konnte man Bauern bei der Arbeit sehen, hinter Ochsengespannen oder hoch oben auf einem modernen Traktor. Die Stadt lag gleich um die Ecke, aber hier schien sie weiter entfernt als der Mond. Die mehr oder weniger elegante, laute, vergnügungssüchtige Jugend, die sich jeden Abend in das Zentrum von Florenz ergoss, hatte nichts mit den zerfurchten Gesichtern und den düsteren Blicken dieser Menschen gemein, die sich auf ihrem Stück Land den Buckel krumm arbeiteten.
    Sie fuhren durch Strada in Chianti und bogen dann nach Cintoia ab. Nach einigen Kilometern war die Straße nicht mehr geteert, und der Käfer begann hin und her zu schaukeln. Links von ihnen sah man waldbedeckte Hügel, die sich gegen einen grünlichen Himmel abzeichneten. Hinter Cintoia Bassa wurden die Kurven immer enger, und sie mussten langsamer fahren. Eine dreirädrige Ape tuckerte, dichte Qualmwolken ausstoßend, bergan, doch es war nicht leicht, sie zu überholen.
    Schließlich kamen sie nach La Panca – vier Häuser an einer Wegbiegung. Sie fragten eine alte Bäuerin, wo es nach Monte Scalari ging, und fuhren daraufhin auf einen steil nach oben führenden Schotterweg voller Steine, auf dem das Auto auf und ab hüpfte. Zwischen den Baumstämmen am Straßenrand hing hin und wieder ein Nebelstreif. Nach zwei-, dreihundert Metern machte der Hauptweg eine scharfe Kurve nach rechts und führte dann weiter aufwärts bis nach Cintoia Alta, doch sie folgten den Anweisungen der Bäuerin und fuhren geradeaus auf einem kleineren Pfad mitten durch den Wald. Dort trafen sie auf ein paar Schaulustige, die Casini unerbittlich weggeschickt hatte. Sie fuhren über den Schlamm rutschend noch ein paar Kilometer weiter. Nach einer Wegbiegung entdeckten sie endlich den Streifenwagen des Polizeipräsidiums, der an einer breiteren Stelle parkte. Daneben stand der Beamte Tapinassi und wartete auf sie. Er ging dem Kommissar entgegen und nahm Haltung an.
    »Wo ist der Junge?«, fragte Casini.
    »Dort drüben entlang, Dottore.« Der Beamte grüßte Piras mit einem Kopfnicken und führte sie zum Fundort.
    »Habt ihr einen Spaten?«, fragte der Kommissar.
    »Der ist schon an Ort und Stelle«, antwortete Tapinassi. Sie folgten dem Waldweg noch etwa dreißig Meter, dann bogen sie ab und stiegen den Hügel hinauf, wobei sie zwischen den Bäumen nur mühsam vorwärtskamen. Ab und zu frischte der Wind auf. Wo der Blätterteppich etwas dünner wurde, heftete sich sofort Schlamm an ihre Schuhe. Die Stille war wunderbar und erinnerte Casini an seine gemeinsame Wanderung mit Botta.
    »Tapinassi, kennst du dich in dieser Gegend gut aus?«
    »Nein, Dottore. Ich bin nicht von hier, ich bin in Rufina geboren.« Nach einer Weile sahen sie in der Ferne den anderen Streifenbeamten, Calosi. Neben ihm stand ein etwa fünfzigjähriger Mann, der eine Doppelflinte umgehängt hatte und einen Irish Setter an der Leine führte.
    »Lauf zurück und warte auf Diotivede«, sagte Casini zu Tapinassi.
    »Ja, Dottore.« Der Polizist kehrte um und ging zum Wagen zurück. Als Piras und der Kommissar am Fundort eintrafen, nahm Calosi Haltung an und salutierte. Casini beachtete ihn nicht einmal. Mit dem Sarden trat er an das frisch ausgehobene Loch heran, aus dem ein halb verwester nackter Fuß
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