Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Visionen

Dunkle Visionen

Titel: Dunkle Visionen
Autoren: Heather Graham
Vom Netzwerk:
ihm das Messer in seinen Hut geworfen, behauptete er. Gott hätte ihm gesagt, wer gut war und wer schlecht. Er gestand, Lainie getötet zu haben, und sagte aus, dass sich der Teufel nur eine Seele geholt hätte, die ihm ohnehin schon gehörte. Lainie wäre schön und verderbt gewesen, so schön, dass sie die Männer mit ihrer Schönheit in den Wahnsinn und zu perversen Handlungen und zu Gewalt getrieben hätte. Sie sei eine Satansbrut gewesen und wäre jetzt wieder dort, wo sie hingehörte.
    An Ende hatte man Harry Nore in eine Anstalt für geisteskranke Straftäter in Nordflorida gesteckt. Sein irres, nahezu zahnloses Grinsen war auf sämtlichen großen Illustrierten im ganzen Land zu sehen gewesen. Mittlerweile gab es keinen Zweifel mehr daran, dass er der Mörder war, und die Bezirksstaatsanwaltschaft war erleichtert, dass man einen Schuldigen gefunden hatte, und sagte Madison und ihrer Familie, dass sie jetzt zumindest nicht mit der Unsicherheit eines unaufgeklärten Mordfalls leben müssten. Nore war mit der Mordwaffe aufgegriffen worden, und er hatte die Tat gestanden. Im Grunde genommen war der Fall sonnenklar, und Madison verstand nicht, warum sie sich nicht so zufrieden gestellt fühlte, wie sie es eigentlich sollte, nachdem der formalen Gerechtigkeit Genüge getan war. Sie fragte sich, ob es nur daran lag, dass auch die Tatsache, dass Harry Nore sicher hinter Schloss und Riegel saß, ihr ihre Mutter nicht zurückbringen konnte. Oder waren es Harry Nores Fingerabdrücke im Schlafzimmer ihrer Mutter, die sie stutzig machten, wo sie doch genau wusste, dass der Mörder Handschuhe getragen hatte?
    Die Polizei war zufrieden, und selbst Harry Nore war glücklich. Jetzt musste er wenigstens nie mehr an der U.S. 1 die Vorübergehenden anbetteln. Ihm war dreimal am Tag eine ordentliche Mahlzeit garantiert.
    Das Leben ging weiter. Madison hätte es nie für möglich gehalten, und doch war es so. Aber sie hörte nie auf, um ihre Mutter zu trauern. Und wenn der Schmerz auch blieb, schwächte er sich doch ab, sodass er sich ertragen ließ. Selbst das Interesse der Medien ging schließlich zurück, und nur ab und zu brachte noch ein Privatsender eine Sendung über Lainie und ihr wildes Leben sowie ihr tragisches Ende.
    Madison und Kaila zogen nach dem Tod ihrer Mutter zu ihrem Vater. Kyle, Jassy und Trent gingen auf verschiedene Universitäten. Rafe machte an der Florida International University sein Examen und ging anschließend nach New York an die Wall Street. Madisons Leben drehte sich um die Schule, Schulbälle und Partys, sie probierte Make-up aus, rasierte sich die Beine, ließ sich Löcher in die Ohrläppchen stechen und färbte sich an Halloween ihr Haar vorübergehend grellblau.
    Die Jahreszeiten gingen ineinander über, sie verliebte sich und entliebte sich wieder. Ihr Vater heiratete zweimal in drei Jahren. Beide Frauen waren so schnell wieder in der Versenkung verschwunden, dass sie sich kaum an ihre Namen erinnern konnte.
    Sie begann zu vergessen, dass sie das Messer, das ihre Mutter getötet hatte, wirklich gesehen hatte.
    Sie begann zu vergessen …
    Sie war jung, und das Leben ging weiter. Sie würde Lainie immer lieben, sie würde sich immer an sie erinnern. Aber mit jedem Tag, der ins Land ging, begannen die kleinen Dinge des Lebens eine größere Rolle zu spielen. Ihre Schwestern und Brüder. Jassy, die aufpasste, dass sie keine Dummheiten machte. Kaila, die sie brauchte. Rafe und Trent, mit denen sie sich gut verstand. Kyle, der für eine Weile freundlich war, um dann wieder wegen irgendetwas, das sie tat oder sagte, an die Decke zu gehen, der stark war oder sanft, wenn sie seine Hilfe am meisten brauchte. Das Leben musste gelebt werden.
    Schmerz und Angst verblassten nach und nach immer mehr.
    Aber sie war das Ebenbild ihrer Mutter.
    Und der Schrecken war entschlossen, sich an ihre Fersen zu heften.

1. KAPITEL
    Z wölf Jahre später …
    Madison spürte, dass sie sich in den Netzen eines Traums verheddert hatte und kämpfte instinktiv, selbst im Schlaf, dagegen an. Sie versuchte aufzuwachen. Aber umsonst – sie war bereits zu tief in ihrer Traumwelt verstrickt.
    Sie hörte sich lachen, nur dass sie das nicht wirklich war. Sie war die andere Frau, die Frau im Traum. Schön, mit tiefrotem Haar, charmant. Sie wusste, dass sie irgendwo übernachten würden, sie und dieser charismatische Mann. Sie war so aufgeregt. Das Gefühl der gespannten Erwartung war so prickelnd. Sie würden Liebe machen. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher