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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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den Hals,um die Ranke wegzuzerren, aber sie hatte sich so fest zugezogen, dass er keinen Finger darunterschieben konnte.
    Inzwischen hatte ich wieder Atem geschöpft und kroch zu dem Beil. Ich packte es, drehte mich um und starrte zu Skunk hinauf. Wegen dem ganzen Gestrampel war er noch ein Stück weiter runtergesackt – so weit die Dornenschlinge um seinen Hals das zuließ. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, und sein Mund stand sperrangelweit offen; das Stückchen Zunge, das ihm noch geblieben war, zuckte darin herum wie ein kleiner Mann, der versuchte, aus einer Höhle zu klettern. Seine Zehen berührten den Boden, aber nur ganz leicht. Er hing wirklich fest, und nach kurzer Zeit hörte er auf zu röcheln und sich zu bewegen.
    Mit erhobenem Beil trat ich einen Schritt auf ihn zu, und urplötzlich schüttelte er sich ein wenig. Fast hätte ich ihm eins übergezogen. Aber das brauchte es nicht. Er war tot, und wie bei einem Huhn mit abgeschlagenem Kopf bewegten sich nur noch seine Nerven und Muskeln, die sich lösten. Jetzt roch ich nicht nur seinen entsetzlichen Gestank, sondern auch noch den ganz frischen von dem, was er in seine Hose gemacht hatte.
    Als ich endlich begriffen hatte, dass er hinüber war, fiel ich auf der Stelle um. Das war wie damals, als ich auf dem Baumstamm gesessen und losgeheult hatte, weil mir alles zu viel geworden war. Auch dieses Mal brach ich in Tränen aus.

26
    Nachdem ich mich ausgeheult hatte, ging ich halb barfuß am Ufer entlang, in einer Hand noch immer das Beil. Schließlich erreichte ich die Stelle, wo unser Boot gewesen war und wo der Stamm, auf dem ich reiten wollte, hätte sein sollen. Aber der Regen letzte Nacht hatte ihn unterspült und flussabwärts getrieben. Mir lief ein Schauer den Rücken runter – wenn ich es mit einem kleinen Vorsprung vor Skunk hierher geschafft hätte, hätte ich in der Falle gesessen, und selbst wenn ich ins Wasser gesprungen wäre, hätte er mir nachschwimmen und mich fangen können. Wie schon Bruder Hase hatte mir das Dornengestrüpp das Leben gerettet.
    Ich kletterte die Böschung rauf und schaute zum Haus rüber, und da kam mir auch schon Jinx entgegen, die Pistole schussbereit erhoben.
    Als sie mich sah, rannte sie los, und ich genauso, wenigstens ein paar Schritte, denn an meinem bloßen Fuß hingen haufenweise Kletten, und meine Beine gaben wie schon unten am Fluss unter mir nach. Ich hockte einfach nur da und fing wieder an zu heulen. Jinx kauerte sich neben mir hin, nahm mich in die Arme und küsste mich auf den Kopf, und ich küsste sie, und wir weinten beide.
    »Du hast ihn abgemurkst, stimmt’s?«, fragte sie. »Ich wusste, wenn das jemand schafft, dann du.«
    »Er hat sich selbst abgemurkst«, antwortete ich und erzählte ihr, was passiert war.
    »Ich wollte dir erst zu Hilfe eilen, aber dann hatte ich Schiss, dass sich niemand mehr um deine Mama und Terry kümmert, wenn ich getötet werde. Irgendwann hab ich’s nicht mehr ausgehalten und bin einfach los, aber da kamst du mir schon entgegen.«
    »Du hast deine Sache gut gemacht«, sagte ich. »Es ging alles total schnell. Dein Schuss ins Bein hat ihm ziemlich zugesetzt.«
    »Ein Glückstreffer.«
    »Dacht ich mir.«
    »Du stinkst.«
    »Skunk hat mich angefasst.«
    »Mit Seife und Wasser kriegen wir das bestimmt wieder weg«, sagte Jinx und half mir auf. Wir gingen zur Hütte zurück, wobei ich mich allerdings einige Male umschaute, nur für den Fall, dass Skunk von den Toten zurückkam. Und das Beil legte ich auch nicht aus der Hand.
    Im Haus kam es zu einem freudigen Wiedersehen, obwohl es alle eilig damit hatten, dass ich mir Wasser aufwärmte und badete, und nachdem wir länger gelüftet hatten, war Skunks Gestank fast weg.
    Letztlich blieben wir noch mehrere Tage in der Hütte. Ich nahm mir ein Paar Schuhe der alten Frau, die zwar schon ziemlich durchgelatscht waren, aber immer noch besser als meine. Wir redeten immer wieder darüber, dass wir sie noch mal begraben mussten, aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir sie ließen, wo sie war. Wir hielten nur die Läden an dem Fenster geschlossen, um ihren Geruch draußen zu halten.
    Ich und Jinx fingen uns Fische zum Essen, und jedes Mal, wenn wir loszogen, schauten wir nach Skunk, der immer noch da hing,wo ich ihn zurückgelassen hatte, nur um uns zu vergewissern, dass er auch wirklich tot war. Und das war er. Die Vögel hatten sich über ihn hergemacht, und seine Augen waren nur noch Löcher. Auch das Fleisch um
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