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Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde

Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde

Titel: Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
Autoren: Jo Clayton
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dann ihren Bruder an. »Gong?«
    »Kein Laut.« Er kam um sie herum und trottete wie ein Geist über trockenes Gras und Abfälle zu der zerfallenen Lehmziegelmauer. Er drehte sich um, wartete auf sie und lehnte die Schultern gegen die Mauer. In seinen Augen funkelte der Schalk. Tuli grinste ihn an, trat gegen den Lehm und wies mit dem Daumen nach oben. Er nickte und begann hinaufzuklettern, wobei er mit Füßen und Fingern nach Ritzen suchte und lose Bruchteile herabtrat, die leise neben ihr aufschlugen. Sie sah, wie sein Kopf sich über den oberen Rand schob und er sich ohne Zögern hinüberschwang. So schnell sie konnte, zog auch sie sich über die Mauer und rutschte neben ihrem Zwillingsbruder zu Boden. Sie hörte hinten in einem Schuppen des Hofes ein Macai wiehern, hörte das klagende Geschrei eines vorüberschwebenden Kankapassar und das Summen der Nachtkäfer, aber das war alles. Keine Wache, nichts, was ihnen hätte Sorgen machen müssen.
    Dünne Streifen rotgoldenen Lichts umrissen eine Reihe von Doppelläden, die die ehemaligen Kornschütten und jetzigen Fenster in der dicken Mauer schlossen. Der am nächsten liegende Laden hatte einen Riß, ein langes, dreieckiges Stück Holz am Rand war abgebrochen. Aus der Öffnung strahlte Licht und überzog den Boden dahinter mit einem goldenen Schimmer. Teras tippte Tuli auf die Schulter, deutete auf diese Stelle und huschte rasch und lautlos zu dem geborstenen Fensterladen. Tuli zögerte, fühlte sie doch im Bauch die Kälte einer vagen Vorahnung weniger deutlich und irgendwie auch beunruhigender als ihr Bruder seinen Gong. Teras schwenkte von dem Guckloch zurück und winkte ungeduldig. Sie schüttelte ihre Angst ab und kniete sich neben das untere Ende des Schlitzes, während Teras über sie gebeugt stand und das Auge an die Öffnung drückte. Mit einem Seufzen schaute Tuli hinein. Der Raum war außer einer abgeflachten Seite rund und nahm fast das ganze Erdgeschoß des Kornspeichers ein. Tuli war überrascht, wieviel sie von hier aus sehen konnte, doch die Krümmung der Wand ermöglichte ihr einen unerwartet weiten Blickwinkel. Der Raum war halb mit schweigsam sitzenden Leuten gefüllt, die im trüben Licht der Ölholzfackeln an den Wänden nur schwach zu sehen waren. Auf einem niedrigen Podium trug ein vierfüßiger Zylinder ein breites, flaches Becken, in dem Flammen loderten, die wie die Laterne eines spät Heimkehrenden im Flußnebel von einer dunstigen Aura umgeben waren. Sie schnupperte vorsichtig und nahm einen süßen Öldunst wahr, der sie in der Nase kitzelte, bis sie schon Angst bekam, niesen zu müssen. Ihre Augen tränten, und sie hielt sich die Nase zu, bis der Drang nachließ. Dann betrachtete sie die Gesichter näher und erkannte einige, zu viele, wie ihr mit Unbehagen bewußt wurde. Bei einigen handelte es sich um Nachbarn, um ihre eigenen Leute, Mitglieder von Familien, die auf den Gradinländereien gelebt und für Gradins Erben so lange gearbeitet hatten, wie das Taromat bestand. Sie mußte ein leises Geräusch von sich gegeben haben. Die Hand ihres Bruders fiel auf ihre Schulter und drückte sie leicht, gleichermaßen zum Trost wie zur Warnung.
    Nilis saß mit exaltiertem Blick im verkrampften Gesicht in einer der ersten Reihen und hatte eine Leidenschaftlichkeit im starren Blick, die Tuli erschreckte. Sie hatte Nilis tobend und wütend erlebt, aber
so
noch nie.
Wir haben etwas übersehen,
dachte sie.
Mal gespannt, was nun geschieht.
Sie schaute hoch und in die Augen ihres Bruders. Seine Lippen formten das Wort
Chinj.
Sie versuchte sein Lächeln zu beantworten, schluckte und legte ihr Auge wieder an die Ritze.
    Die Anhänger saßen so aufrecht, als hätten sie Stöcke verschluckt. Zwei finstere Gestalten mit unter schwarzen Kapuzen verborgenen Köpfen standen vor dem feuergefüllten Becken. Lange, schmale Roben umhüllten sie vom Scheitel bis zur Sohle, lange schmale Ärmel umschlossen ihre Arme, ja sogar ihre Hände, und fielen ihnen eine halbe Armlänge über die Fingerspitzen. Verhüllte Hände bewegten sich, schwenkten langsam vor und zurück, und die baumelnden Ärmel strichen durch ganze Schauer von aus den Flammen aufstiebenden Funken. Ein anschwellendes Stöhnen zog durch die Reihen der Sitzenden. Die Anhänger bebten, als peitschte ein starker Wind sie umher.
    »Licht.« Eine der dunklen Gestalten stimmte das Wort mit süßem und reinem Tenor an.
    »Licht.« Die Antwort der Menge war ein tierisches Stöhnen, ein tiefes Ächzen.
    »Vater
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