Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
und habe ein Dutzend Dutch Apple und vier …«
    Henry, der immer noch an den alljährlichen Jagdurlaub denkt, der morgen beginnt, merkt erst, was er da gesagt hat, als es schon raus ist.
    »Dieses zwanghafte Essen, Barry, hat vielleicht etwas damit zu tun, dass Sie glauben, Ihre Mutter umgebracht zu haben. Halten Sie das für möglich?«
    Barry verstummt. Henry schaut zu ihm hinüber und sieht, dass ihn Barry Newman mit so großen Augen anstarrt, dass sie tatsächlich sichtbar sind. Henry weiß zwar, dass er damit aufhören sollte – es geht ihn überhaupt nichts an und hat mit der Therapie nicht im Mindesten etwas zu tun –, aber er will nicht damit aufhören. Teilweise mag das damit zusammenhängen, dass er an seine alten Freunde gedacht hat, aber hauptsächlich rührt es von Barrys entsetztem Gesichtsausdruck her und der Blässe auf seinen Wangen. Was Henry an Barry wirklich gegen den Strich geht, so glaubt er, ist Barrys Selbstgefälligkeit, seine Überzeugung, dass es völlig unnötig wäre, sein selbstzerstörerisches Verhalten zu ändern, geschweige denn, nach dessen Ursachen zu forschen.
    »Sie glauben doch, dass Sie sie umgebracht haben, nicht wahr?«, fragt Henry. Er sagt das so dahin, fast beiläufig.
    »Ich … ich habe nie … Ich protestiere …«
    »Sie rief und rief und sagte, sie hätte Schmerzen in der Brust, aber das hat sie natürlich oft gesagt, nicht wahr? Jede zweite Woche. Jeden zweiten Tag, so kam es einem manchmal vor. Sie rief es runter zu Ihnen: ›Barry, ruf Dr. Withers an. Barry, ruf einen Krankenwagen. Barry, ruf den Notarzt.‹«
    Sie haben nie über Barrys Eltern gesprochen. Auf seine ebenso weichliche wie zähe Art lässt Barry das nicht zu. Er fängt an, über sie zu reden – es kommt einem jedenfalls so vor –, und: zack, spricht er schon wieder über Lammbraten oder Brathähnchen oder gebratene Ente mit Orangensauce und ist wieder bei seiner Inventur. Daher weiß Henry nichts über Barrys Eltern und schon gar nichts über den Tag, an dem Barrys Mutter starb, aus dem Bett fiel und auf den Teppich pinkelte und schrie und schrie, hundertvierzig Kilo schwer und widerlich fett, und schrie und schrie. Er kann unmöglich davon wissen, denn ihm hat niemand davon erzählt, und trotzdem weiß er es. Und damals war Barry auch noch schlanker. Verhältnismäßig grazile fünfundachtzig Kilo.
    Das ist Henrys Version der Linie. Die Linie sehen. Henry hat sie jetzt gut fünf Jahre nicht mehr gesehen (höchstens manchmal im Traum), hatte schon gedacht, all das sei vorbei, und da ist sie wieder.
    »Sie haben vor dem Fernseher gesessen und sie schreien gehört«, sagt er. »Sie haben da gesessen und Ricky Lake geguckt und – was? – einen Käsekuchen von Sara Lee gegessen? Eine Schale Eis? Ich weiß es nicht. Jedenfalls haben Sie sie schreien lassen.«
    »Hörn Sie auf!«
    »Sie haben sie schreien lassen, und warum denn auch nicht? Sie hatte ihr ganzes Leben lang blinden Alarm geschlagen. Sie sind ja nicht dumm, und Sie wussten das. So was kommt schon mal vor. Ich glaube, auch das wissen Sie. Sie haben sich selbst die Hauptrolle in Ihrem eigenen kleinen Tennessee-Williams-Stück ausgesucht, weil Sie gern essen. Und jetzt kommt etwas, was Sie nicht glauben: Es wird Sie wirklich umbringen. Insgeheim glauben Sie das nicht, aber es ist wahr. Ihr Herz pocht ja bereits, wie ein versehentlich Beerdigter mit Fäusten an seinen Sargdeckel pocht. Wie wird das erst, wenn Sie noch vierzig oder fünfzig Kilo zunehmen?«
    »Sein Sie …«
    »Wenn Sie fallen, Barry, wird es wie der Fall Babels in der Wüste sein. Wer Sie untergehen sieht, Barry, wird noch jahrelang davon sprechen. Mann, Sie werden mit Ihrem Sturz das Geschirr aus den Schränken schlagen …«
    »Hörn Sie auf!« Barry sitzt jetzt aufrecht, hat sich diesmal von Henry nicht aufhelfen lassen und ist leichenfahl, bis auf die kleinen roten Flecken auf seinen Wangen.
    »Bei diesem Knall schwappt der Kaffee aus den Tassen, und Sie werden sich einnässen, genau wie Ihre Mutter …«
    »HÖRN SIE AUF!«, kreischt Barry Newman. »HÖRN SIE AUF! SIE UNMENSCH!«
    Aber Henry kann nicht aufhören. Er kann es einfach nicht. Er sieht die Linie, und wenn man die Linie sieht, kann man den Blick nicht mehr davon lösen.
    »… es sei denn, Sie erwachen aus diesem Unheil bringenden Traum. Verstehen Sie, Barry …«
    Aber Barry will nicht verstehen, will überhaupt nichts verstehen. Er braust zur Tür, mit seinen mächtigen Hinterbacken wackelnd, und dann ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher