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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben
Autoren: Peter James
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hatten darauf bestanden, dass sie Silvester auf keinen Fall schmollend allein zu Hause verbringen würde. Nigel würde ohnehin nicht zurückkommen. Seine Tusse war schwanger. Vergiss ihn, Süße, es gibt noch mehr Männer auf dieser Welt. Fang endlich an zu leben.
    Und das hier sollte das Leben sein?
    Ihre Arme wurden gleichzeitig in die Höhe gerissen. Dann zerrte man sie in einer gewaltigen Flutwelle nach vorn, wobei sie fast aus ihren wahnsinnig teuren Pumps von Marc Jacobs gefallen wäre. Sekunden später stolperte sie rückwärts.
    Die Band spielte Should auld acquaintance be forgot …
    Ja, die alten Bekanntschaften sollte man verdammt nochmal vergessen. Und die neuen gleich mit dazu!
    Nur: Sie konnte nicht vergessen. Nicht die Silvesterabende, an denen sie Nigel um Mitternacht in die Augen gesehen und ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebe, und er auch gesagt hatte, dass er sie liebe. Ihr Herz war schwer, verdammt schwer. Sie war noch nicht bereit. Nicht hier und nicht jetzt.
    Endlich war das Lied zu Ende, und Mr Speck spuckte die Pfeife aus, umklammerte ihre Wangen und pflanzte einen schlabbrigen, nachhaltigen Kuss auf ihre Lippen. »Frohes neues Jahr!«, gurgelte er.
    Luftballons schwebten von der Decke. Luftschlangen regneten auf sie herunter. Lauter lächelnde Gesichter umgaben sie. Sie wurde umarmt, geküsst, gestreichelt, wohin sie sich auch drehte. Es ging weiter und immer weiter.
    Wenn ich jetzt verschwinde, merkt es keiner, dachte Nicola.
    Sie kämpfte sich durch den Raum, durch das Meer von Menschen, hinaus in den Flur. Sie spürte einen kalten Luftzug und roch süßen Zigarettenrauch. Jetzt könnte sie auch eine gebrauchen!
    Sie ging den fast verlassenen Flur entlang, wandte sich nach rechts und betrat die Lobby des Hotels. Sie drückte den Knopf des Aufzugs, und als die Tür aufging, stieg sie ein und wählte den fünften Stock.
    Hoffentlich waren alle zu betrunken, um ihre Abwesenheit zu bemerken. Vielleicht hätte auch sie mehr trinken sollen, dann wäre sie in Partylaune gewesen. Doch sie fühlte sich stocknüchtern und hätte mühelos nach Hause fahren können. Allerdings hatte sie für das Zimmer bezahlt und ihre Sachen waren dort drinnen. Sie könnte sich einen Film anschauen, beim Zimmerservice Champagner bestellen und sich feierlich volllaufen lassen.
    Als sie den Aufzug verließ, holte sie die Plastikkarte, die als Zimmerschlüssel diente, aus ihrer silbernen Abendtasche von Chanel. Es war eine Kopie, die sie gekauft hatte, als sie vor zwei Jahren mit Nigel in Dubai gewesen war.
    Vor einer Tür stand eine schlanke blonde Frau in ihrem Alter. Sie trug ein langes, hochgeschlossenes Abendkleid mit langen Ärmeln und schien mit ihrer Tür zu kämpfen. Als sie auf einer Höhe waren, drehte sich die Frau, die völlig betrunken war, zu Nicola um und nuschelte: »Ich krieg das Scheißding nicht rein, wissen Sie, wie das funktioniert?« Sie streckte ihr die Plastikkarte entgegen.
    »Sie müssen sie reinstecken und ziemlich schnell wieder rausziehen«, antwortete Nicola.
    »Hab ich schon versucht.«
    »Lassen Sie mich mal.« Hilfsbereit nahm Nicola die Karte entgegen und steckte sie in den Schlitz. Als sie sie herauszog, leuchtete eine grüne Lampe auf, und es ertönte ein Klick.
    Da presste sich etwas Feuchtes auf ihr Gesicht. Ein süßlicher Geruch drang in ihre Nase, und ihre Augen brannten. Sie spürte noch einen heftigen Schlag in den Nacken. Taumelte nach vorn. Der Teppich raste auf sie zu.

5
Dezember 1997
    In der Dunkelheit hörte Rachael Ryan, wie die Gürtelschnalle des Mannes geöffnet wurde. Ein metallisches Klicken. Das Rascheln von Kleidern. Sein Atem, gehetzt, wild. Ein greller Schmerz pulsierte in ihrem Kopf. »Bitte tun Sie mir nicht weh«, flehte sie. »Bitte nicht.«
    Der Lieferwagen wurde von den Windböen durchgerüttelt, und gelegentlich fuhr ein Auto vorbei, dessen grell weiße Scheinwerfer das Innere wie Stroboskope erhellten. Genau in diesen Augenblicken konnte sie ihn am deutlichsten erkennen und das schiere Entsetzen packte sie. Die schwarze Maske über seinem Kopf, die winzigen Schlitze für Augen, Nasenlöcher und Mund. Die weite Jeans und die Joggingjacke. Das winzige, gebogene Messer, das er in der Linken mit dem Handschuh hielt, das Messer, mit dem er sie blenden würde, wenn sie schreien oder zu fliehen versuchen sollte.
    Ein muffiger Geruch wie von alten Säcken stieg aus der dünnen Unterlage auf. Er vermischte sich mit dem schwachen Geruch von alten Plastiksitzen
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