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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben
Autoren: Peter James
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hatte, eilte er in die Soko-Zentrale 1. Schon auf dem Weg dorthin legte er sich seinen Plan zurecht.

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Jetzt
Montag, 19. Januar
    Es war dunkler, als Jessie gedacht hatte, was durchaus von Vorteil war. Wenn sie ganz vorsichtig und vollkommen still war, könnte sie auf Zehenspitzen ein kleines Stück über das Gitter schleichen und auf den Campingbus hinunterschauen.
    Dort stand er, der cremefarbene Lack verschmutzt, die Seitentür geöffnet. Diese Campingbusse waren ein Symbol der Hippie-Ära gewesen, Flower Power, Anti-Atomkraft, all das Zeug. Sie hatte über die 1960er und 1970er Jahre gelesen.
    Doch dieser Freak hatte keine Ähnlichkeit mit einem Hippie.
    Im Augenblick war er im Bus. Hatte er geschlafen? Wohl kaum. Ein- oder zweimal war sie ein bisschen eingedöst und hatte fast aufgeschrien, als irgendein Tier an ihrem Arm vorbeistrich. Als es dämmerte und ein schwaches graues Licht hereindrang, kam eine Ratte vorbei und schaute sie an.
    Sie hasste Ratten. Danach war sie nicht mehr eingeschlafen.
    Was hatte er vor? Was passierte in der Welt dort draußen? Sie hatte den Hubschrauber nicht mehr gehört. Vielleicht hatte er doch nicht nach ihr gesucht.
    Womöglich hatte er Vorräte im Bus. Er könnte ewig hierbleiben, sofern er keine Arbeit und kein Privatleben hatte. Anderenfalls würde ihn jemand vermissen. Sie hingegen konnte nicht mehr lange ohne Wasser und Essen auskommen. Sie war schwach. Schwächer als gestern. Und hundemüde. Nur das Adrenalin hielt sie aufrecht.
    Und ihre Entschlossenheit.
    Sie würde Benedict heiraten. Dieser Freak würde sie nicht davon abhalten. Nichts auf der Welt würde sie davon abhalten.
    Ich will hier raus.
    Draußen wehte ein starker Wind, der weiter aufzufrischen schien. Die Kakophonie der Geräusche wurde ohrenbetäubend. Gut, so könnte sie sich bewegen, ohne dass der Freak es merkte.
    Plötzlich hörte sie von unten wütendes Geheul. »NA SCHÖN, DU SCHLAMPE, ICH HABE GENUG VON DEINEN SPIELCHEN. ICH KOMM DICH HOLEN. HÖRST DU MICH? ICH WEISS GENAU, WO DU BIST, UND ICH HOLE DICH JETZT!«
    Auf Zehenspitzen schlich sie wieder zu ihrem Aussichtspunkt und schaute hinunter. Entsetzt entdeckte sie ihn. Er lief noch immer ohne seine Maske umher. Ein Auge war rot und stark zugeschwollen. In einer Hand hielt er einen großen Schraubenschlüssel, in der anderen ein Tranchiermesser.
    Er kam genau auf den Eingang des Silos zu, über dem sie stand.
    Sie hörte ihn wieder schreien, wobei seine Stimme widerhallte, als brüllte er in einen Trichter. »SEHR CLEVER, DU SCHLAMPE. EINE LEITER IM SILO! WIE HAST DU DIE DENN GEFUN-DEN?«
    Sekunden später hörte sie seine Füße auf den Sprossen.

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Jetzt
Montag, 19. Januar
    Glenn Branson wartete an der Einfahrt des Industriegebietes in einem Zivilfahrzeug auf Roy Grace. Er hatte die unterzeichneten Durchsuchungsbefehle dabei.
    Die Straßenkarte, die sie sich bei der eiligen Planung der Operation angeschaut hatten, zeigte, dass es nur zwei Zufahrten zu den Firmen von Garry Starling gab. Die Fahrzeuge des Teams, das er für die Verhaftung zusammengestellt hatte, warteten in diskreter Entfernung.
    Vier Ermittler in Zivil befanden sich schon auf dem Gelände. In einer Seitenstraße parkten zwei Einheiten mit Hundeführern, die bereit waren, die Ausgänge zum Bürogebäude abzuriegeln. Ein Bus mit sechs Polizeibeamten in Panzerwesten hielt sich bereit, und vier Zivilfahrzeuge überwachten die Zufahrtsstraßen zum Industriegebiet.
    Grace ließ seinen Wagen stehen und stieg zu Glenn Branson. Er war angespannt, erleichtert und niedergeschlagen zugleich, weil der Tod von Rachael Ryan nun feststand. Er überdachte seinen Plan. Einiges machte ihm Sorgen.
    »Geht’s los?«
    Grace nickte zerstreut. Der Schuh-Dieb hatte nie DNA-Spuren hinterlassen. Seine Opfer berichteten, er sei unfähig zu einer dauerhaften Erektion. Sollte das heißen, dass Garry Starling doch nicht der Schuh-Dieb war? Oder hatte ihn der Mord an Rachael Ryan – vorausgesetzt, er war der Mörder – genügend erregt, um zu ejakulieren?
    Warum war er heute Morgen nicht im Büro?
    Wie sollten sie beweisen, dass er der Mörder war, wenn die Frau, mit der er vor zwölf Jahren Sex gehabt hatte, tot aufgefunden worden war? Was würde die Staatsanwaltschaft dazu sagen?
    Es gab so viele offene Fragen.
    Allerdings wuchs in ihm die Gewissheit, dass der Mann, der Rachael Ryan ermordet hatte, auch der Entführer von Jessie Sheldon war. Er hoffte verzweifelt, wenigstens sie noch lebend zu finden,
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