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Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Titel: Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
Autoren: Ali Knight
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an der Lehne des Sitzes vor ihr. Die Tasche, die üblicherweise eine abgegriffene Zeitschrift, Spucktüten und verdorrte Orangenschale enthielt, hatten sie entfernt. Verstohlen blickte Nicky hinüber zu dem Mann, der sich inzwischen in dem Sitz am Gang niedergelassen hatte.
    »Wir sind ausgebucht, deshalb müssen wir Sie bitten, alle Plätze zu nutzen«, schnarrte der Bordlautsprecher.
    Der Mann schaute sie verlegen an. Als er aufstand, um sich direkt neben sie zu setzen, konnte sie sich ein albernes Grinsen gerade noch verkneifen. So was passierte ihr immer wieder: Wenn sie am wenigsten damit rechnete, hielt das Leben eine Überraschung für sie bereit, wenn auch nicht immer von so angenehmer Art. Der Mann, der sich da auf ihre Armlehne stützte, sah phantastisch aus, einfach toll. Sein dunkles Haar glänzte wie Seehundfell, er hatte ein markiges Profil und braune Augen, deren Blick Humor verriet und zugleich etwas Gefährliches hatte. Und er war jung. Nicky sah ein geflochtenes Band um sein Handgelenk und fühlte sich plötzlich zurückversetzt nach Santorin, wo sie mit Grace Ferien gemacht hatte – ein ganzes Leben war das her. Er musste Anfang zwanzig sein.
    »Tut mir leid«, sagte er, setzte sich achselzuckend zurecht und schaute sie wieder an, wobei er eine dunkle Braue hochzog. Er wirkte aberwitzig groß in dem Sitz, seine Schulter ragte weit in ihren Raum hinein.
    »Ich glaube, der Eigentümer dieser Fluglinie ist ein Zwerg.«
    Jetzt drehte er sich ganz zu ihr um. »Er hat Freude daran, alle zu bestrafen, die größer sind als eins siebzig.«
    »Zu selektiv. Alle, die einen Magen haben. Haben Sie hier mal was gegessen?«
    »Natürlich. Zehn Euro hat mich der Burger gekostet.«
    Nicky versuchte, sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal ein solches Lächeln gesehen hatte. Seit ihrer Hochzeit bestimmt nicht mehr. Hör auf, befahl sie sich. Die schlechte Ehefrau in ihr meldete sich. Sie sah zu, wie er seine Rückenlehne etwas nach hinten stellte.
    »Da wird gleich jemand kommen und sagen, dass Sie sich gerade hinsetzen sollen.«
    Er lehnte sich verschwörerisch zu ihr herüber. »Ich verstoße gern gegen die Regeln.«
    Sie spürte ein kurzes Flattern im Bauch. Er war ziemlich direkt, und Nicky stellte fest, dass sie nichts dagegen hätte, wenn dieses Wochenende, das dazu hatte dienen sollen, einer verkümmernden Freundschaft neues Leben einzuhauchen, ihr auf der Heimreise einen kleinen Flirt bescherte. Was war am Ende schon dabei?
    Umständlich suchte er nach den beiden Enden seines Sicherheitsgurts. »Das gehört wohl Ihnen.« Er hielt ein Stück Gurt mit Metallschnalle hoch. Die Geste schien mit allem Möglichen aufgeladen. Ob sie wollte oder nicht, sie grinste.
    Unvermittelt prasselte ein Regenschauer gegen das Plastikfenster, und einen Moment lang starrten sie beide hinaus. »Typisch. Ich fliege nach Spanien, und es kommt das heftigste Unwetter seit zwei Jahren.«
    Er plusterte die Wangen und atmete geräuschvoll aus. »War’s schön?«
    Über diese Frage dachte Nicky ernsthaft nach. »Nein.« Dann lachte sie leise. »Wirklich schön war’s nicht.«
    Nun schossen beide dunkle Brauen in die Höhe.
    »Tut mir leid, ich …«
    Er fiel ihr ins Wort. »Entschuldigen Sie, mein Name ist Adam.« Er streckte ihr eine Hand hin, die sie ergriff und schüttelte.
    »Nicky. Wofür entschuldigen Sie sich?«
    »Dafür, dass ich Sie ausfrage und Sie noch nicht einmal wissen, wie ich heiße.«
    Er wurde unterbrochen, als ein Mann sich in den Sitz am Gang fallen ließ. Alle drei rückten sie sich neu zurecht. Adams Ellbogen glitt über die Armlehne weit zu ihr herüber.
    »Was ist denn schiefgelaufen in Spanien?«
    Sie hätte gern gewusst, woher er seine Manieren hatte. Und dieses Selbstbewusstsein. Privatschule, vielleicht sogar ein Internat? Dann machte sie sich klar, dass er dieser Institution – welche auch immer es gewesen sein mochte – noch nicht lange entwachsen war.
    Sie winkte ab und dachte: Beklag dich nicht, mäkel nicht an allem herum! Denk positiv. Am Ende ist jeder Tag kostbar. Das hatte sie auf die denkbar schmerzlichste Art gelernt. Sie hatte ein Zählwerk im Kopf, das ihr jederzeit sagte, wie viele Tage sie nun schon ohne Grace lebte. Es konnten Wochen vergehen, ohne dass sie daran dachte, aber sie konnte die Zahl jederzeit abrufen. Wann würde diese innere Uhr aufhören, sie an den Tod ihrer besten Freundin zu erinnern?
    Nicky spielte mit einer Strähne ihres schulterlangen Haars. »Ich musste
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