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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen
Autoren: Mats Wahl
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»Vermittlungsgespräch« selber erfunden. Es gefiel ihm, das war ihm anzusehen. Es war eins seiner Lieblingswörter.
    »Ob das was hilft?«, sagte ich.
    »Wir tun unser Bestes«, behauptete der Direktor. »Wenn du Tubal siehst, komm sofort zu mir, dann führen wir das Gespräch.«
    Ich kniff wieder in meine Jeans. Sie war total nass.
    Er stand auf.
    »Sobald du ihn siehst, kommst du her.«
    Dann ging er zur Tür, öffnete sie, ich stand auch auf, nickte ihm zu, und als ich an ihm vorbeiging, roch ich sein Rasierwasser.
    »Du! Hallo!«, rief er mir nach.
    Ich drehte mich um.
    »Was hast du da in der Gesäßtasche?«
    Ich zog den Schraubenschlüssel heraus.
    Er streckte die Hand aus.
    »Messer und andere Waffen sind in der Schule nicht erlaubt. Du kannst ihn heute Nachmittag im Büro abholen.«
    Ich legte Bergers Schraubenschlüssel in seine ausgestreckte Hand.

    Beim Verlassen des Empfangs begegnete ich Hansson im Flur.
    »Ach!«, rief sie. »Wolltest du nicht mit Deutsch anfangen?«
    »Hatte was zu tun«, sagte ich. »Musste mit dem Direktor reden.«
    »Ich habe dich für die Siebten eingeteilt, da du ja Anfänger bist. Es sind sechs Mädchen, alle sehr nett und ehrgeizig. Ich habe gehört, dass du ein kluger Junge bist. Es wird bestimmt gut gehen.«
    Dann watschelte sie davon wie eine von Bergers Enten. Nur das leise Quaken fehlte.
    Ich rief ihr nach:
    »Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß!«
    Sie drehte sich um.
    »Du scheinst ja doch ein wenig Deutsch zu können.«
    »Das sagt mein Großvater häufig. Was bedeutet es?«
    »Darüber sprechen wir im Unterricht. Du musst mich nur daran erinnern.«
    »Können Sie mir nicht jetzt sagen, was es bedeutet?«, rief ich ihr nach.
    Aber sie war schon um die Ecke verschwunden.

    Mittags gab es Blutpudding. Die ganze Zeit, während ich vor der Essensausgabe in der Schlange stand, schaute ich mich über die Schulter um. Tubal und Marc waren nicht aufgetaucht. Vielleicht kamen sie ja zum Essen? Ich wollte ihnen nicht begegnen, und an die Vermittlung des Direktors glaubte ich nicht. Ich setzte mich auf einen Platz an der Wand. William und seine schwarz gekleideten Kumpels saßen ein Stück entfernt. Ich schämte mich, dass ich dachte, sie würden mir helfen, wenn Tubal auftauchte und mich erschlagen wollte.
    Einige Tische entfernt saß Sara. Allein. Ich stand auf, nahm mein Tablett und setzte mich zu ihr.
    »Hallo«, sagte ich.
    Sie schaute nicht auf.
    »Ich kenne dich nicht«, flüsterte sie in ihren Weißkohl. Sie aß nur Weißkohl.
    »Ich kenne Dick«, sagte ich. »Er ist wohl dein Vater?«
    »Ich kenne dich nicht«, wiederholte Sara. »Setz dich woanders hin.«
    Sie pickte mit der Gabel im Weißkohl herum, stand hastig auf und ging zu einem Tisch in der Ecke. Dort ließ sie sich neben einem Mädchen mit dicken blauen Haaren nieder, das eine rot und schwarz gestreifte Strumpfhose trug.
    Da kam Patrik und setzte sich mir gegenüber. Er trug ein schwarzes T-Shirt, das ihm zu groß war.
    »Hast du gesehen, was mit deinem Fahrrad passiert ist?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Geh raus und schau’s dir an.«
    Dann stand er auf und setzte sich an Williams Tisch. Ich gingnach draußen zu den Fahrradständern. Beide Reifen waren zerschnitten. Das Schloss war mit etwas verklebt, sodass ich den Schlüssel nicht hineinstecken konnte.

    29

    Mit dem Telefon in der Hand machte ich mich auf den Heimweg. Ich dachte, wenn Tubal und Marc auftauchen, rufe ich Mama an. Als ich den Wald erreichte, rief ich Nadja an.
    »Warum bist du nicht in der Schule?«, fragte ich.
    »Hab gehört, es hat wieder Alarm gegeben. Alarm bei Platzregen, na super. Ich liege im Bett und lese Harry Potter.«
    »Du wirst nie etwas lernen«, behauptete ich.
    »Hast du Tubal getroffen?«, fragte sie.
    »Nein.«
    »Nimm dich bloß in Acht«, sagte sie.
    »Klar«, sagte ich. »Deswegen bin ich auf dem Weg nach Hause.«
    »Gehst du nicht zurück?«
    »Kann ich nicht. Der Direktor sagt, wir sollen ein Vermittlungsgespräch führen. Tubal wird mich erschlagen.«
    »Am schlimmsten ist Ludde«, sagte Nadja. »Marc und Tubal sind gefährlich, aber Ludde ist verrückt. Er hat schon mal jemanden mit einem Eisenrohr geschlagen. Pass bloß auf.«
    »Ich passe so gut auf, wie ich kann«, sagte ich. »Bin bald zu Hause. Bleibst du den ganzen Tag im Bett?«
    »Vielleicht steh ich irgendwann auf.«
    »Komm zu mir«, schlug ich vor. »Ich will dir was zeigen.«
    »Was?«
    »Du wirst ja sehen.«
    »Was ist es?«
    »Du wirst es
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