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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal
Autoren: Ian Fleming
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während eines seiner letzten Kommandos gedient. Schnell, aber nicht zu schnell, sagte er: »Wenn ich bemerken darf, Sir James - die besten Zigarren Jamaikas können es heute mit den Havannas aufnehmen. Sie haben endlich das richtige Deckblatt bekommen.« Er schloß den Glasdeckel der Kiste und entfernte sich.
    Sir James Molony nahm den Dorn vom Tisch und durchbohrte exakt die Spitze seiner Zigarre. Er entzündete ein Streichholz, bewegte die Flamme vor der Spitze hin und her und sog vorsichtig, bis die Zigarre zu seiner Zufriedenheit brannte. Dann nahm er je einen Schluck von seinem Brandy und seinem Kaffee und lehnte sich zurück. »Also, mein Freund«, sagte er, »schießen Sie los. Welches Problem bedrückt Sie?«
    M. war mit seinen Gedanken anderswo. Er schien Schwierigkeiten mit seiner Pfeife zu haben. Unter heftigem Paffen fragte er zerstreut: »Was für ein Problem?«
    Sir James Molony war der bedeutendste Neurologe Englands. Im Vorjahr hatte man ihm für seine Arbeit den Nobelpreis verliehen. Er war dem Secret Service als Nervenspezialist zugeteilt, und obwohl man ihn nur selten konsultierte - und dann nur in äußersten Notfällen -, fesselten ihn die Probleme, die er lösen sollte, jedesmal außerordentlich, da sie menschlich bewegend und für die Nation lebenswichtig waren.
    M. wandte seinem Gast das Profil zu und beobachtete den Verkehr in der St. James Street.
    »Mein Freund«, begann Sir James, »wie jeder andere Mensch haben auch Sie eine ganz bestimmte Verhaltensweise. Zum Beispiel laden Sie mich ab und zu hierher zum Essen ein, stopfen mich wie eine Mastgans, weihen mich dann in irgendein haarsträubendes Geheimnis ein und bitten mich, Ihnen zu helfen. Beim letztenmal wollten Sie, soweit ich mich erinnern kann, wissen, ob ich einem ausländischen Diplomaten gewisse Informationen entlocken könnte, indem ich ihn ohne sein Wissen in Hypnose versetzte. Sie behaupteten, dies sei der letzte Ausweg. Und ich sagte Ihnen, daß ich Ihnen in diesem Fall nicht helfen könnte. Zwei Wochen später las ich in der Zeitung, daß besagter Diplomat tödlich verunglückte, als er gerade von einem Fenster im zehnten Stockwerk aus nachprüfen wollte, ob die Gesetze der Schwerkraft stimmten. Der Untersuchungsrichter fällte ein delphisches Urteil: >Fiel oder wurde gestoßen<. Welches Kunststück soll ich Ihnen diesmal als Entgelt für mein Essen vorführen?« Sir James Molony lenkte ein. Teilnahmsvoll sagte er: »Na, kommen Sie schon, M.! Rücken Sie mit der Sprache heraus?«
    M. sah ihn kalt an. »Es geht um 007. Sein Zustand beunruhigt mich immer mehr.«
    »Sie haben doch meine beiden Berichte über sein Befinden gelesen. Irgendwas Neues?«
    »Nein. Immer noch das gleiche. Er richtet sich langsam zugrunde. Zu spät im Büro, vernachlässigt seine Arbeit, macht Fehler. Außerdem trinkt er zuviel und verliert eine Menge Geld in einem dieser neuen Spielklubs. Alles läuft darauf hinaus, daß einer meiner besten Männer drauf und dran ist, für uns untragbar zu werden. Völlig unverständlich, wenn man seine bisherige Arbeit kennt.«
    Sir James Molony schüttelte tadelnd den Kopf. »Es ist keinesfalls unverständlich! Entweder haben Sie meine Berichte nicht gelesen oder ihnen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ich habe immer wieder betont, daß dieser Mann einen Schock erlitten hat.« Sir James Molony beugte sich vor und richtete seine Zigarre auf M.s Brust. »Sie sind ein harter Mann, M. In Ihrem Beruf müssen Sie das sein. Aber es gibt gewisse Probleme, menschliche zum Beispiel, die Sie nicht immer mit Härte lösen können. Nehmen Sie nur diesen Fall. Da ist Ihr Agent, genau so zäh und tapfer wie Sie in seinem Alter wahrscheinlich waren. Er ist Junggeselle und eingefleischter Schürzenjäger. Dann verliebt er sich plötzlich, zum Teil, nehme ich an, weil dieses Mädchen ihm so hilflos vorkam. Es ist überraschend, welche weichen Punkte diese sogenannten harten Männer immer wieder haben. Er heiratet sie also, und nach ein paar Stunden wird sie von diesem Supergangster erschossen. Wie heißt er?«
    »Blofeld«, sagte M., »Ernst Stavro Blofeld.«
    »Weiter. Ihr Mann bekam dabei nur eine Schramme am Kopf ab. Aber dann fing er an, sich gehenzulassen, und Ihr Arzt meinte, er könnte sich doch eine Hirnverletzung zugezogen haben, und schickte ihn zu mir. Es fehlte ihm gar nichts. Körperlich gesehen - nur ein Schock. Er gestand mir, daß er einfach keine Kraft mehr in sich spüre. Daß er kein Interesse mehr an seiner
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