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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
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anderen Worten: Die Principessa war hier gewesen, hier, auf
dieser Ausstellung, in diesen Räumen.
    Ich stieß einen Fluch aus und ließ den Zettel sinken. Verdammt,
verdammt! Eine Sekunde später stürzte ich an die Rezeption, wo Aristide der
ergeben in ihrem Sessel sitzenden Mademoiselle Conti inzwischen eine kleine
Privatvorlesung hielt.
    Â»Mademoiselle Conti!« Ich merkte selbst, daß meine Stimme sich
überschlug. »Haben Sie jemanden gesehen, der sich an meinem Mantel zu schaffen
gemacht hat?«
    Zwei Augenpaare hefteten sich erstaunt auf mich.
    Aristide verstummte in seinem Vortrag, und Mademoiselle Conti sah
mich überrascht an. »Wie meinen Sie das – an Ihrem Mantel zu schaffen gemacht?«
fragte sie langsam, als spräche sie mit einem Kranken. »Ist etwas nicht in
Ordnung?«
    Â»Hat jemand etwas in meinen Mantel gesteckt, in meinen Mantel, ja
oder nein!« herrschte ich sie an. Ich baute mich vor ihr auf und schlug erregt
gegen meine Seitentasche.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Wie soll ich das wissen? Ich bin
schließlich nicht die Garderobiere«, gab sie zurück.
    Aristide hob beschwichtigend die Hand. »Jean-Luc, beruhige dich! Was
ist denn das für ein Benehmen?«
    Â»Mademoiselle, bitte erinnern
Sie sich!« rief ich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ich schwankte ein
wenig, mir war etwas merkwürdig, sei es vom Alkohol, sei es von der plötzlichen
Aufregung, und ich klammerte mich an diesem Schreibtisch fest, der vor wenigen
Stunden noch stummer Zeuge eines frühlingshaften Flirts zwischen Monsieur
Bittner und Mademoiselle Conti gewesen war. Nun war das Wetter umgeschlagen,
und ein eisiger Wind schien durch den Rezeptionsraum zu fegen.
    Â»Sie waren die ganze Zeit hier. Sie hätten doch sehen müssen, ob
jemand etwas in meinen Mantel gesteckt hat?« wiederholte ich eigensinnig und
wurde schon wieder laut.
    Mademoiselle Contis Augen funkelten hinter der Brille wie zwei
schwarze Diamanten. »Monsieur, ich bitte Sie … Sie sind ja betrunken«, sagte
sie kühl. »Ich habe niemanden gesehen.« Sie schüttelte mißbilligend den Kopf,
und ihre blauen Ohrringe wippten angriffslustig. »Wer sollte etwas in Ihren
Mantel hineintun? … Oder meinen Sie vielleicht, ob jemand etwas aus Ihrem
Mantel herausgenommen hat? Fehlt Ihnen etwas?«
    Ich starrte sie wütend an.
    Die Principessa war mir entwischt. Und sie war stinksauer auf den
Duc, soviel hatte ich begriffen. Was würde nun passieren?
    Ich war verunsichert und aufgebracht zugleich, ich ärgerte mich über
mich selbst, und mein ohnmächtiger Zorn entlud sich über Luisa Conti, die das
alles nicht zu interessieren schien und die sich in spitzfindigen Wortgefechten
erging.
    Â»Nein, mir fehlt nichts. Und ich kenne noch den Unterschied zwischen
reintun und rausnehmen, selbst wenn ich ein Glas Wein zuviel getrunken habe«,
knurrte ich. »Ich suche keinen Dieb, wissen Sie?«
    Aristide verfolgte atemlos unseren kleinen Wortwechsel.
    Â»Nein?« Mademoiselle Conti zog die Augenbrauen hoch. »Was suchen Sie
denn?«
    Â»Eine Frau! Eine wunderbare Frau!« rief ich verzweifelt.
    Â»Na, das ist doch kein Problem für Sie, Monsieur Champollion.« Luisa
Conti lächelte, und ich schwöre, daß es ein provozierendes Lächeln war, obwohl
Aristide später sagte, das hätte ich mir in meiner Erregung nur eingebildet.
»Die Welt ist voller wunderbarer Frauen«, fuhr sie fort und drehte das Messer
in meinem Magen um. »Greifen Sie zu!«
    Ich stieß einen gurgelnden Laut aus. Es hätte nicht viel gefehlt,
und ich hätte mich auf diese kleine Hexe gestürzt, die mir mit ihrer fröhlichen
Bemerkung den Finger in die Wunde legte.
    Da fühlte ich Aristides Hand auf meiner Schulter.
    Â»Komm, mein Freund«, sagte er bestimmt und nickte Mademoiselle Conti
entschuldigend zu. »Es ist besser, ich bringe dich jetzt nach Hause.«

13
    Drei Tage später war meine Stimmung auf
dem Tiefpunkt.
    Das, was ich befürchtet hatte, war eingetreten.
    Die hämmernden Kopfschmerzen, mit denen ich am
Morgen nach der Vernissage aufwachte, waren nicht das Schlimmste. Auch daß ich – nach einer regelrechten Standpauke von Aristide – dessen Rat befolgt und am
selben Tag noch ziemlich kleinlaut im Duc de Saint-Simon angerufen hatte, um
mich bei Mademoiselle Conti für mein unmögliches Verhalten zu
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