Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
nicht.
    Die kleinen Empfangsräume schienen überzuquellen von lachenden,
schönen, schwatzenden Menschen, und in dem Hof vor dem Eingang des Hotels, der
mit großen Windlichtern beleuchtet war und den Marion mit weißgedeckten
Stehtischen hatte bestücken lassen, schnippten die Raucher ihre Asche von den
Zigaretten und diskutierten.
    Lächelnd schritt ich durch die Menge.
    Monsieur Tang, mein passionierter Sammler aus dem Land des Lächelns,
umschwärmte Soleil, die dastand wie eine große rote Blume und ihn persönlich
von Bild zu Bild führte, bevor eine Journalistin sie in ein Gespräch
verwickelte. Aristide kopfte mir auf die Schulter und raunte mir ins Ohr, wie
superb alles sei. Bruno stand sinnend mit einem Cocktail in der Hand vor einem
Gemälde, das »L’Atlantique du Nord« hieß, und hatte seine Abneigung moderner
Kunst gegenüber offenbar kurzfristig überwunden.
    Jane Hirstman übertönte mit ihren begeisterten Ausrufen (Gorgeous! Terrific! Amazing!) das Stimmengewirr, und ihre
Nichte Janet hatte mich bei der Begrüßung überschwenglich umarmt. Sie sah – ich
kann es nicht anders sagen – an diesem Abend atemberaubend aus in ihrem
enganliegenden flaschengrünen Seidenkleid, dessen dünne Träger sich im Rücken
kreuzten und den Blick auf ihre sonnengebräunte Haut freigaben. Mit den
aufgesteckten Haaren wirkte sie plötzlich viel älter als bei unserem ersten
zufälligen Treffen im Train Bleu, und sie nahm mit funkelnden Augen das Glas
Champagner entgegen, das ich ihr reichte.
    Selbst Bittner, mein stets zur Kritik aufgelegter Freund aus
Deutschland, hatte nichts zu bemängeln – er ging mit einem breiten Lächeln an
den Bildern vorbei, um dann bei Luisa Conti an der Rezeption stehenzubleiben
und ihr Komplimente zu machen. »Mademoiselle Conti, wissen Sie eigentlich, daß
Ihre Augen genau dieselbe Farbe haben wie ihre Ohrringe?« hörte ich ihn sagen.
»Wie zwei Saphire! Nicht wahr, Jean-Luc?«
    Ich blieb stehen, und als Luisa Conti auf das charmante Drängen von
»Monsieur Charles« einging und für einen Moment widerstrebend ihre dunkle
Brille absetzte, mußte ich zugeben, daß er recht hatte. Für einen Augenblick
ruhten zwei nachtblaue Augen auf mir. Dann setzte Mademoiselle Conti ihre
Brille wieder auf und lächelte Karl Bittner an, der ihr ein Glas Weißwein
entgegenhielt. »Charles, Sie übertreiben – merci ,
sehr aufmerksam.« Sie nahm das Glas aus Bittners Hand.
    Ich wollte auch etwas Nettes sagen.
    Â»Auf die Dame mit den Saphiraugen, die heute schon das Schlimmste
verhindert hat!« meinte ich und prostete Mademoiselle Conti mit einem
Augenzwinkern zu. »Und vielen Dank noch mal für Ihre tolle Unterstützung bei
dieser ganzen Sache hier. Es ist wunderbar.«
    Â»Ja«, sagte Bittner, als hätten meine Worte ihm gegolten. Er ließ
sich nonchalant auf dem antiken Schreibtisch nieder und lehnte sich so weit
zurück, daß seine Hand beinahe den Stoff von Mademoiselle Contis Kleid
streifte. »Dieser Ort hat wirklich eine ganz besondere Atmosphäre. Ein
großartiger Rahmen für die Bilder von Soleil Chabon, die in der Tat«, er nickte
mir anerkennend zu, »bemerkenswert sind. Alle Achtung!« Dann galt Karl Bittners
Aufmerksamkeit nicht mehr länger mir, sondern der Dame, die mit geröteten
Wangen hinter dem Schreibtisch stand. »Was für ein wunderbares Parfum ist das?
Heliotrop?«
    Ich ließ die beiden Turteltauben zurück, wanderte noch eine Weile
herum, trank hier einen Wein und dort und trat dann für einen Moment in den Hof
hinaus, der sich mittlerweile geleert hatte.
    Ich stellte mich an einen der runden Stehtische am Rand des
Innenhofs und blickte zum Himmel. In tiefstem Blau wölbte er sich über der
Stadt, und es waren sogar einige Sterne zu sehen, und das ist selten in Paris.
    Zufrieden zündete ich mir eine
Zigarette an und stieß den Rauch in die Abendluft. Ich fühlte mich getragen von
einer Welle der Sympathie und Anerkennung. Das Leben in Paris war eins der
schönsten, der Wein war mir etwas zu Kopf gestiegen, und der Brief, den die
Principessa mir an diesem Tag geschrieben hatte und in dem von »völliger
Hingabe« und »nicht mehr zu stillender Sehnsucht« und noch ganz anderen,
unaussprechlichen Dingen die Rede war, die sich bald (wann endlich?) ereignen
sollten, versetzte mich in eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher