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DS036 - Der Gespenster-König

DS036 - Der Gespenster-König

Titel: DS036 - Der Gespenster-König
Autoren: Kenneth Robeson
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betrunken genug waren, um über ihre Erfahrungen mit dem Geist König Johns zu prahlen. Damit die biederen Leute schneller Zutrauen zu ihm faßten, war mit Johnny äußerlich eine Veränderung vorgegangen. Sein Monokel hatte er verschwinden lassen, sich seinen ältesten Anzug angezogen und einen verschlissenen Hut tief in die Stirn gezogen. Dazu sprach er ein Englisch, das seine gelehrten Kollegen von der geologischen und archäologischen Fakultät wahrscheinlich hätte erschaudern lassen.
    Für die Einwohner von Swineshead schien der Geist König Johns eine feststehende Tatsache zu sein. Zwei behaupteten sogar, ihm Auge in Auge gegenübergestanden zu haben.
    »Erst vor vierzehn Tagen bin ich dem vermaledeiten Königsgeist begegnet«, behauptete der eine. »Er kam direkt auf mich zu und quatschte mich an. Dort am Ufer, wo das Festland ins Marschland übergeht.«
    »Woher wußten Sie, daß es König Johns Geist war?« fragte Johnny ganz ernst.
    »Er sagte es mir«, erklärte der Mann.
    »Er sagte es Ihnen?«
    »Klar, das hat er getan, und es ist die Wahrheit, Kumpel. Aber ich würde ihn allein schon an seiner Aufmachung erkannt haben. Er trug ein Kettenhemd und hatte ein Mordsding von Zweihänderschwert dabei – so wie er in den Lesebüchern immer abgebildet ist.«
    Johnny bestellte für den Mann ein weiteres Bier. »Und was hat er so geredet?«
    »In der Hauptsache, ob er mich mit dem Zweihänder erschlagen sollte.«
    »Sie erschlagen?«
    »Ja. Er sagte, ich sei vielleicht der Bursche, der ihm damals Gift in den Wein getan hätte. Ich erklärte ihm, das wäre doch schon ein paar hundert Jährchen her und damals hätte ich überhaupt noch nicht gelebt. Aber das schien ihn überhaupt nicht zu beeindrucken. Er sagte, er würde so lange suchen, bis er den Kopf gefunden hätte.«
    »Wird der Geist meistens dort in der Gegend gesehen?« erkundigte sich Johnny.
    »Ja, meistens, Kumpel«, erklärte der zweite Mann, der dem Geist schon begegnet sein wollte. »Er scheint sich immer dort herumzudrücken, wo der Wellstream in die Marschen einmündet.«
    Auch was ihm die beiden Männer sonst noch sagten, stimmte genau zu dem Geschichtsbild. König John war als gewalttätiger Herrscher bekannt gewesen, der nach erbitterter Fehde von seinen Landbaronen gezwungen worden war, die Magna Charta zu unterzeichnen, die ihnen persönliche Grundrechte einräumte und noch ein halbes Jahrtausend später Modell für die
Personal Rights
in der Verfassung der Vereinigten Staaten gestanden hatte. Der Historie nach sollte sich König John, nachdem er unterzeichnet hatte, vor Wut auf dem Boden herumgerollt und in ein Tischbein gebissen haben. Auf seinem Rachefeldzug gegen die Landbarone war er dann angeblich unter Krämpfen gestorben, weil er zu viele Pfirsiche gegessen hatte oder weil man ihm Gift in den Wein getan hatte.
    »Jetzt bin ich doch superperplex«, murmelte Johnny, nachdem er die beiden Männer angehört hatte. »Ich glaube, die Sache verdient es, daß man ihr gründlicher nachgeht.«
     
    Die Nacht war noch jung, als Johnny in der Gegend auftauchte, in der der Wellstream in die Marschen einmündete. In Anbetracht des Geländes hatte der bekannte Archäologe nicht gezögert, sich die Hosenbeine hochzukrempeln und Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Mit seinen streichholzdünnen Beinen hätte er für jeden, der ihn dort beobachtete, einen zum Umwerfen komischen Anblick geboten, nur war die Gegend gänzlich unbewohnt und menschenleer.
    Er war etwa eine Stunde lang in den moorigen Tümpeln herumgestakt, als er schwer in die Klemme geriet. Die Flut kam vom Meer herein und überschwemmte jedesmal auch das Marschland. Und sie kam viel schneller, als er erwartet hatte und rennen konnte. Johnny war bis zur Gürtellinie durchnäßt, ehe er trockenen Grund erreichte.
    Schließlich stand er auf einer mit knorrigen Büschen bestandenen flachen Erhebung und ließ den Blick mit neuem Respekt über das umliegende Marschland wandern, als er plötzlich eine hohle Stimme hinter sich hörte, die ihn zusammenfahren ließ.
    »Dreh du dich um, damit ich dir ins Gesicht sehe«, kommandierte die Grabesstimme.
    Johnny verspürte, während er herumfuhr, einen ausgesprochenen Lachreiz. Mit ihrer altenglischen Formulierung und der heute längst nicht mehr gebräuchlichen Akzentuierung klang die Stimme auch wirklich zum Schreien komisch. Dem hageren Geologen verging jedoch das Lachen, als er die Gestalt hinter sich sah.
     
     

2.
     
    Das Individuum, das die Worte
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