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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition)
Autoren: Rachel Ward
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nach vorn und versuche, mich so vor der kalten, feuchten Luft zu schützen. Ich folge dem Weg zur anderen Seite des Freizeitgeländes, wo er zwischen Gartenzäunen einen schmalen Durchgang bildet. Hier ist es dunkler. Ich kann nicht sehen, wo ich hintrete, doch ich laufe weiter, vertraue darauf, dass meine Füße schon festen Boden finden werden, dass bald irgendein Licht kommt, dass der Weg irgendwo hinführt.
    Kurz darauf wird der Weg breiter und ich stehe plötzlich in einer kleinen Bungalow-Siedlung. Die Häuser sind quadratisch, sauber und winzig. Auffahrten führen zu den Eingängen. Und vor den Türen stehen Blumenkübel. Die ganze Anlage wirkt künstlich, wie aus Legosteinen gebaut.
    Die Siedlung mündet direkt in die Hauptstraße. Ich erkenne die Straße von der Taxifahrt wieder, aber um halb vier Uhr morgens ist alles anders. Die Hälfte der Geschäfte hat die Rollläden unten, alles dicht – Augen zu. Die Mülltonnen quellen über. Pommes-Schalen, Flaschen, Werbeflyer und alte Zeitungen. Ein Stück durchweichtes Papier bleibt an meinen Schuhen kleben. Ich trete es weg, doch mein Blick hat jetzt eine Zeitung dicht daneben erfasst.
    Ein Lokalblatt und ich bin auf der Titelseite.
    Es ist das Foto, auf dem Rob von oben in die Kamera schaut und ich an ihr vorbeisehe. Daneben ein Foto von Neisha, nicht das, was ich in der Tasche habe. Das hier ist ein Schulfoto. Haare fein säuberlich gekämmt. Keine Ohrringe. Weiße Bluse, burgunderfarbene Krawatte und Wolljacke.
    Ich hocke mich hin und lese den Artikel, halte die Zeitung nach oben, damit die Straßenbeleuchtung draufscheint.
    Die Polizei bezeichnet den Tod des jungen Mannes, Robert »Rob« Adams (17), als einen tragischen Unfall. Robert starb am Dienstag gegen 16.30 Uhr. Rettungskräfte waren an den See im Imperial Park in Kingsleigh gerufen worden. Polizeitaucher konnten seinen Körper nur noch tot aus dem Wasser bergen.
    Wie es heißt, hatte er mit seinem Bruder Carl (15) und einer Freundin, Neisha Gupta (16), im See gebadet. Die Wetterbedingungen waren extrem schlecht. In Kingsleigh war zu diesem Zeitpunkt gerade ein schweres Unwetter aufgezogen.
    Inspektor Dave Anthony von der örtlichen Polizei erklärte: »Erste Untersuchungen weisen darauf hin, dass es ein tragischer Unfall war. Die Stelle ist bekannt dafür, dass hier trotz aller Warnschilder immer wieder Jugendliche im See baden. Unglücklicherweise geriet Rob dabei offenbar in Schwierigkeiten, die zu seinem Tod führten. Wir werden noch die beiden anderen Jugendlichen befragen, die bei ihm waren, sobald sie wieder vernehmungsfähig sind. Dann wird sich klären, was genau passiert ist. Unsere Gedanken sind bei der Familie und den Freunden des Jungen.«
    Aus zuverlässiger Quelle war zu erfahren, dass eine Autopsie angeordnet wurde. Die Ergebnisse werden der Gerichtsmedizin zugeleitet.
    Roberts Mutter, Kerry Adams, war zu verzweifelt, als dieser Bericht an die Presse ging, um auf Fragen zu antworten.
    Ich lese das Ganze noch einmal von vorn, dieses Mal langsam, und versuche jedes Wort zu begreifen. Beim ersten Lesen schien der Artikel nur zu bestätigen, was ich schon wusste – mein Bruder ist in einem See ertrunken. Jetzt sehe ich, dass dort mehr steht, viel mehr. Neisha ist Neisha Gupta. Sie ist sechzehn. Es gab ein Unwetter. Die Polizei will mit mir reden. Eine Autopsie wurde angeordnet. Die Presse wollte mit Mum sprechen.
    Ich versuche das Ganze zu verarbeiten. Aus irgendeinem Grund bleiben meine Gedanken an dem Wort »Autopsie« hängen. O Gott, die haben ihn aufgeschnitten. Ich will nicht darüber nachdenken, aber ich kann es nicht verhindern. Irgendwo liegt die Leiche meines Bruders. Der Reißverschluss geht an seinem Gesicht vorbei, über den Kopf. Sie haben in ihn hineingeschnitten, hineingeguckt. Ich schaue erneut auf das Foto und es gelingt mir nicht, die beiden Dinge zusammenzufügen. Ein Schüler, ein bisschen überheblich, ein bisschen kaltschnäuzig – und eine aufgeschnittene Leiche auf einer Bahre. Scheiße.
    Ein Wassertropfen landet mitten auf dem Foto. Ich schaue hoch und spüre einen Spritzer auf meinem Gesicht, gleich rechts neben dem Auge. Kalt und leicht. Ein zweiter Spritzer trifft auf die Zeitung, dann noch einer. Es fängt an zu regnen.
    Der Regen trommelt auf die Oberfläche, springt hoch, erzeugt eine Schicht spritzenden Wassers. Der See wirkt jetzt, als würde er kochen. Ich sehe das Ufer nicht mehr. Ich sehe nichts mehr, niemanden. Der Regen drückt mich nach unten,
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