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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition)
Autoren: Rachel Ward
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aus dem Gesicht wischen, doch meine Hände sind schlammverschmiert. Ich wische sie an meiner Jeans ab und schiebe sie in die Jackentaschen in der Hoffnung, ein Taschentuch zu finden. Die Taschen sind tief. Meine Finger finden ein zerknautschtes Tuch. Es ist gebraucht und ich zögere einen Moment lang – mein Rotz oder seiner? Ist das wichtig? Ich versuche so gut es geht, mich mit dem Tuch sauber zu wischen. Dann tauchen meine Hände noch einmal hinein, denn in der Jacke sind nicht nur Taschentücher.
    Ich ziehe eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug heraus. Zwei Jungs am See. Sie trinken und rauchen. Lachen im Sonnenschein. Rob und ich.
    Meine Hände zittern, als ich eine Zigarette herausnehme. Ich schaffe es kaum, das Feuerzeug ruhig zu halten, um die Kippe anzünden zu können. Ich ziehe den Rauch ein. Er setzt sich in der Kehle fest, so wie vorhin das Wasser, und plötzlich ringe ich wieder nach Luft, huste, würge, beuge mich vor und versuche die Luftröhre freizukriegen. Während ich immer noch gekrümmt dastehe, lasse ich die Zigarette fallen und trete sie in den Boden. Zwei Jungs am See, denke ich voller Ironie. Der eine hat geraucht und das war sicher nicht ich.
    Das heißt, es sind Robs Zigaretten. Es ist seine Jacke.
    Ich taste erneut darin herum und diesmal ziehe ich ein Handy heraus. Robs Handy. Es ist ein billig aussehendes Smartphone. Ich drehe es um, drücke eine der Tasten, der Bildschirm leuchtet auf.
    Ich habe ein schlechtes Gewissen. Fühle den Kitzel eines Schuldgefühls. Handys enthalten Namen, Telefonnummern, Nachrichten, Fotos. Handys enthalten das Leben eines Menschen.
    Ich scrolle mich durch das Adressbuch. Viele Namen stehen nicht drin. Ein Dutzend vielleicht, mehr auf keinen Fall. Neisha Gupta ist einer davon.
    Als Nächstes die Nachrichten: eingegangen und gesendet. Die jüngsten Nachrichten stehen ganz oben.
    Gesendet an Neisha Gupta, 13.29 Uhr: Kommst du? Halb vier.
    Eingegangen von Neisha Gupta, 13.32 Uhr: Hab ich doch gesagt.
    Ich schaue hoch, schalte um von dem leuchtenden Viereck in der Hand auf die dunkle, nasse Welt jenseits des Vordachs. Noch bevor sich meine Augen so richtig angepasst haben, glaube ich kurz eine bleiche Gestalt im Regen zu erkennen – vielleicht fünfzehn oder zwanzig Meter von mir entfernt. Ich kneife die Augen zusammen und schaue genauer, doch sie ist schon wieder weg.
    Er weiß, dass ich sein Handy habe, sage ich mir. Aber das ist doch Quatsch. Er ist tot. Rob ist tot.
    Der Bildschirm ist auf Stand-by gegangen, zeigt nur noch ein trübes Bild, kaum mehr vorhanden. Ich drücke die ›On‹-Taste, um es zurückzuholen, und gehe das Menü durch.
    Fotos: Das erste Bild ähnelt ein bisschen dem, das zerrissen in meiner Tasche steckt. Neisha, die einen Schmollmund zieht. Auf dem Bildschirm wirkt es lebendiger als auf Papier, echter. Mein Magen flippt aus, als ich ihr wieder in die Augen sehe. Sie ist wunderschön. Sexy. Aber jetzt gibt es keinen Zweifel mehr – sie hat in diese Linse, in dieses Handy geschaut, als das Foto gemacht wurde. Sie hat Rob angeschaut.
    Neisha Gupta. Robs Freundin.
    Ich ziehe den Finger über den Bildschirm, um zum nächsten Foto zu kommen. Diesmal ist es nicht nur ihr Gesicht. Es ist von weiter weg aufgenommen, in einem Zimmer, nicht in unserem. Sie trägt Slip und BH, sitzt auf dem Bett und beugt sich zur Kamera vor. Einer der Träger hängt von der Schulter. Sie zieht keinen Schmollmund mehr, aber sie lächelt auch nicht. Ihr Ausdruck ist unsicher, als ob sie nicht weiß, was sie mit ihrem Gesicht anstellen soll. Doch ich schaue nicht auf ihr Gesicht.
    Meine Finger sind schwitzig, als ich zur nächsten Aufnahme scrolle. Jetzt lächelt sie, aber nur mit den Mundwinkeln, der Rest des Munds wirkt verängstigt. Ihr linker Wangenknochen scheint roter als der andere und ich spüre plötzlich wieder Mums Schlag im Taxi. Neishas Augen flehen die Kamera an. Flehen wonach? Ich komme mir schmutzig vor, sie anzusehen, doch ich höre nicht auf, kann nicht aufhören. Meine Augen saugen ihre weichen Formen ein, die Honigtöne ihrer Haut. Sie trägt immer noch ihre silberne Kette. Ein herzförmiges Amulett hängt an dieser Kette, genau zwischen ihren nackten Brüsten.
    »Gib mir einfach die Kette, dann geh ich.«
    Robs Stimme hallt in meinem Kopf wider, eine Erinnerung kehrt zurück, die ich noch nicht ganz begreife. Er hat das nicht zu Neisha gesagt. Zu wem dann?
    Hinter mir ein Geräusch. Ich drücke hastig die ›Off‹-Taste und schiebe
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