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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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knappen, kühlen Nicken, bevor sie auf dem Stuhl Platz nahm, den ihr Gatte, der dazu aufgestanden war, für sie zurechtrückte. Max wandte sich ab, strich erst rechts, dann links sein glänzendes, mit Brillantine zurückgekämmtes schwarzes Haar an den Schläfen glatt und entfernte sich entlang der Tanzfläche. Um seine Lippen spielte ein feines Lächeln, und obwohl er niemanden ansah, spürte er das weibliche Interesse, das seinen Einszweiundachtzig in dem makellosen Galaanzug – in den er seine letzten Ersparnisse investiert hatte, bevor er mit einem Arbeitsvertrag für die einfache Fahrt nach Buenos Aires an Bord gegangen war – von den Tischen zuteilwurde, die die Passagiere allmählich verließen, um sich in den Speisesaal zu begeben. Die Hälfte des Salons verabscheut mich jetzt, dachte er, teils resigniert, teils belustigt. Die andere Hälfte sind Frauen.
    Die drei sind vor einer Buchhandlung stehengeblieben. Zwar schließen in Sorrent zum Ende der Hauptsaison einige derGeschäfte und Restaurants, auch einige der edlen Läden am Corso Italia, doch die Altstadt und die Via San Cesareo sind das ganze Jahr über voller Touristen. Die Straße ist nicht sehr breit, also hält Max Costa in vorsichtigem Abstand vor einem Delikatessengeschäft inne, ein Ständer mit einer kreidebeschrifteten Schiefertafel bietet ihm Deckung. Das Mädchen mit dem Zopf ist in den Laden gegangen, während die Frau mit dem Hut und der junge Mann plaudernd davor stehenbleiben. Die Sonnenbrille hat er abgenommen und lächelt. Er ist dunkelhaarig und sieht gut aus. Sie scheint ihn zu mögen, denn einmal streichelt sie ihm die Wange. Danach sagt er etwas, und sie lacht laut auf, so schallend, dass der heimliche Beobachter es deutlich hören kann: ein helles, offenes Lachen, das sie sehr verjüngt und Max erbeben lässt, als die Erinnerung abermals über ihn hereinbricht. Sie ist es, denkt er. Neunundzwanzig Jahre sind vergangen, seit er sie zum letzten Mal gesehen hat. Damals fiel leichter Regen auf eine herbstliche Küstenlandschaft. Ein Hund rannte über die feuchten Kiesel am Strand, unterhalb der Promenade des Anglais in Nizza, und jenseits der weißen Fassade des Hotels Negresco versank die Stadt in grauem Dunst. Nach so langer Zeit kann das Gedächtnis trügen. Der frühere Eintänzer und jetzige Hausmeister und Chauffeur von Doktor Hugentobler aber hat keinen Zweifel mehr. Es handelt sich um dieselbe Frau. Dasselbe Lachen, dieselbe Art, den Kopf zur Seite zu neigen, dieselbe lässige Gestik. Die natürliche Eleganz, mit der sie die eine Hand in die Tasche ihrer Strickjacke gesteckt hat. Er würde sich gern nähern, um ihr Gesicht besser zu sehen, wagt es aber nicht. Während er noch mit sich ringt, kommt das Mädchen mit dem Zopf aus dem Geschäft, und die drei machen sich auf den Rückweg, vorbei an dem Delikatessengeschäft, in das Max sich eilends geflüchtet hat. Von drinnen sieht er die Frau mit dem Hut vorübergehen, betrachtet ihr Profil und ist jetzt ganz und gar überzeugt.Honigaugen, stellt er erschüttert fest. Fast flüssig. Und so folgt er ihnen, immer in sicherer Entfernung, zurück zur Piazza Tasso bis zum Gittertor des Hotels Vittoria.
    Am nächsten Tag sah er sie wieder, auf dem Deck, wo die Rettungsboote lagen. Es war Zufall, denn keiner von beiden hatte dort etwas zu suchen. Wie alle Angestellten der Cap Polonio, die nicht zur Besatzung gehörten, hatte Max Costa sich von der ersten Klasse und deren Flanierdecks fernzuhalten. Um Letztere zu umgehen, wo die Passagiere in Liegestühlen aus Teakholz und Weidengeflecht auf der Steuerbordseite ihr Sonnenbad nahmen – auf dem Backborddeck wurde gekegelt, Shuffleboard gespielt und auf Tontauben geschossen –, kletterte er schließlich eine Stiege hinauf und gelangte auf ein anderes Deck, wo zu beiden Seiten der drei großen rot-weißen Schornsteine des Überseedampfers je acht der sechzehn Rettungsboote aufgereiht in ihren Halterungen hingen. Es war ein stiller Ort, wo man für gewöhnlich keine Passagiere antraf, da die großen Boote keinen schönen Anblick boten und zudem die Aussicht nahmen. Das einzige Zugeständnis an die, die sich dennoch dort aufhalten mochten, waren einige Holzbänke. Und als der Eintänzer zwischen einem weißgestrichenen Bullauge und der Öffnung eines der mächtigen Ventilatoren, die Frischluft ins Innere des Schiffes bliesen, heraustrat, erkannte er auf einer dieser Bänke die Frau, mit der er am Vorabend getanzt hatte.
    Es war ein
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