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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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Schmöcker und war Deutscher wie fast alle Offiziere, Matrosen und das gesamte Stammpersonal des Schiffes – mit der Selbstgewissheit der fünfzig Atlantiküberquerungen,die er auf dem Buckel hatte. Und aus all diesen Gründen nahm Max Costa Miss Honeybee nach einigen Tänzen und einem sorgsamen Studium ihrer Reaktionen auf sein Verhalten und seine körperliche Nähe – bar jeder Zudringlichkeit, korrekt auf Abstand, mit professionellem Gleichmut und einem breiten männlichen Lächeln, als er sie zuletzt wieder an ihren Tisch brachte, wofür sie ihm mit einem schmelzenden so nice dankte – in seine Liste möglicher Kandidatinnen auf. Fünftausend Seemeilen und drei Wochen Schiffsreise boten reichlich Gelegenheit.
    Diesmal trafen die de Troeyes gemeinsam ein. Max gestattete sich gerade eine Pause und hatte sich hinter einige Blumenkübel an der Seite der Orchesterbühne zurückgezogen, um sich auszuruhen, ein Glas Wasser zu trinken und eine Zigarette zu rauchen. Von dort aus sah er das Ehepaar eintreten, angeführt von dem beflissenen Schmöcker. Sie gingen dicht nebeneinander, sie einen halben Schritt voraus, er mit einer weißen Nelke am schwarzen Satinrevers, in der einen Hand eine Zigarette und die andere in der Hosentasche, wodurch sich der rechte Frackschoß leicht nach oben verschob. Armando de Troeye ignorierte die Aufmerksamkeit, die er unter den Passagieren erregte. Seine Frau sah aus wie einer exklusiven Modezeitschrift entstiegen. Sie trug eine lange Perlenkette und passende Ohrringe. Schlank, gelassen, auf hohen Absätzen mit sicherem Schritt im sachten Wiegen des Schiffes, zeichnete sich ihr Körper in gestreckten, nahezu endlosen Linien unter einem langen jadegrünen Kleid ab – mindestens fünftausend Francs in Paris, Rue de la Paix, so Max’ Schätzung –, das Arme, Schultern und den Rücken bis zur Taille freigab und nur von einem einzigen schmalen Träger um den Nacken gehalten wurde, den das kurze Haar auf bezaubernde Weise entblößte. Voller Bewunderung erkannte Max zweierlei: Sie war eine der Frauen, deren Eleganz ins Auge springt, deren Schönheit man aber erst aufden zweiten Blick wahrnimmt. Außerdem gehörte sie zu den wenigen, die dafür geschaffen waren, derartige Kleider zu tragen.
    Er konnte vorerst nicht mit ihr tanzen. Das Orchester spielte einen Camelwalk, unmittelbar gefolgt von einem Shimmy – der mit dem absurden Titel Tutankamon war noch immer in Mode –, und er musste sich nacheinander zwei temperamentvollen Gören widmen, die sich, durchaus talentiert, an den Tanzschritten versuchten, wobei ihre Familien, zwei nette brasilianische Ehepaare, aus der Ferne ein Auge auf sie hatten: erst die rechte Schulter, dann die linke, immerzu vor und zurück, bis die beiden völlig außer Atem waren und er fast. Bei den ersten Takten eines Black Bottom – das Stück hieß Amor y palomitas de maíz – wurde er dann von einer Amerikanerin aufgefordert, noch jung, nicht besonders hübsch, aber sehr geschmackvoll gekleidet und zurechtgemacht. Sie erwies sich als unterhaltsame Tanzpartnerin, und zum Schluss, als er sie an ihren Tisch zurückbrachte, steckte sie ihm einen Fünf-Dollar-Schein zu. Während er noch mit ihr tanzte, kam Max mehrfach am Tisch der de Troeyes vorbei, doch jedes Mal, wenn er hinsah, schien die Frau wegzuschauen. Jetzt war der Tisch verlassen, und der Kellner räumte die beiden leeren Gläser ab. Abgelenkt von seiner letzten Partnerin, hatte Max das Paar nicht aufstehen und in den Speisesaal hinübergehen sehen.
    Er nutzte die Pause während des Abendessens, das gegen sieben Uhr serviert wurde, um eine Tasse Consommé zu sich zu nehmen. Er aß nie feste Nahrung, wenn er tanzen musste; auch eine Gewohnheit aus Legionärszeiten, wenngleich es damals um eine andere Art von Tanz ging und leichte Mahlzeiten eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme hinsichtlich der Gefahr eines Bauchschusses waren. Nach der Brühe zog erden Mantel über und ging hinaus auf das Steuerborddeck, um eine Zigarette zu rauchen und frische Luft zu schnappen, während er die Lichtreflexe des aufgehenden Mondes auf dem Wasser betrachtete. Um viertel nach acht kehrte er in den Saal zurück und setzte sich an einen der freien Tische in der Nähe des Orchesters, wo er mit den Musikern plauderte, bis die ersten Gäste aus dem Speiseraum kamen, die Männer sich auf den Weg zum Spielsalon, zur Bibliothek oder zum Rauchzimmer machten und die Frauen, die jüngeren Leute und die tanzwütigen Paare sich an den
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