Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dreifach

Titel: Dreifach
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
er getötet hatte, er konnte nur seine eigenen Toten betrauern.
    Dickstein durchlebte die Schlacht noch einmal, wie er es während der ganzen schlaflosen Nacht getan hatte. Wenn er Abbas befohlen hätte, das Feuer zu eröffnen, sobald er an Bord war, wären die Feddajin vielleicht so lange abgelenkt worden, daß Gibli unbemerkt über die Reling hätte klettern können. Wenn er mit drei Männern schon zu Beginn des Kampfes Granaten auf die Brücke geworfen hätte, wäre die Messe vielleicht früher erobert worden, und man hätte Leben geschont. Wenn ... Aber es gab hundert Dinge, die er anders gemacht hätte, wenn er die Zukunft hätte vorhersehen können oder wenn er einfach ein klügerer Mann wäre.
    Immerhin würde Israel jetzt Atombomben haben, um auf ewig geschützt zu sein.
    Sogar dieser Gedanke ließ ihn keine Freude empfinden. Ein Jahr vorher wäre er begeistert gewesen. Aber ein Jahr vorher war er Suza Ashford noch nicht begegnet gewesen.
    Er hörte ein Geräusch und blickte nach oben. Es klang, als wenn Menschen an Deck umherliefen. Zweifellos irgendeine nautische Krise.
    Suza hatte ihn verändert. Sie hatte ihn gelehrt, mehr vom Leben zu erwarten als einen Sieg im Kampf. Wenn er sich auf diesen Tag vorbereitet hatte, wenn er daran gedacht hatte, wie es sein würde, diese großartige Leistung vollbracht zu haben, war sie immer in seinen Tagträumen gewesen, hatte irgendwo auf ihn gewartet, bereit, seinen Triumph mit ihm zu teilen. Aber sie würde nicht da sein. Niemand anders konnte sie ersetzen. Und eine einsame Feier konnte keine Freude bereiten.
    Dickstein hatte lange genug vor sich hingestarrt. Er stieg die Leiter aus dem Laderaum hinauf und überlegte, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte. Auf Deck sah ein Matrose ihn. »Mr. Dickstein?«
    »Ja, was ist?«
    »Wir haben auf dem ganzen Schiff nach Ihnen gesucht ... Das Funkgerät, jemand ruft die Coparelli . Wir haben nicht geantwortet, weil wir schließlich nicht mehr die Coparelli sind. Aber sie sagt ...«
    »Sie?«
    »Ja. Sie ist sehr deutlich zu hören – Sprechfunk, nicht Morse. Scheint in der Nähe zu sein, und sie ist sehr aufgeregt. ›Sprich, Nathaniel!‹ sagt sie dauernd. Oder so ähnlich.«
    Dickstein packte den Matrosen beim Arm. »Nathaniel?« brüllte er. »Hat sie Nathaniel gesagt?«
    »Ja. Es tut mir leid, wenn ...«
    Aber Dickstein rannte schon auf die Brücke zu.

    *

    Nat Dicksteins Stimme war über Funk zu hören. »Wer ruft die Coparelli? «
    Plötzlich war Suza stumm. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, seine Stimme zu hören, das ließ sie schwach und hilflos werden.
    »Wer ruft die Coparelli? «
    Sie fand ihre Stimme wieder. »Oh, Nat, endlich.«
    »Suza? Ist da Suza?«
    »Ja, ja.«
    »Wo bist du?«
    Sie sammelte sich. »Ich bin mit David Rostow auf einem russischen Schiff namens Karla. Schreib dir dies auf.« Sie gab ihm die Position, den Kurs und die Geschwindigkeit, die ihr der erste Offizier genannt hatte. »Das war heute morgen um 4.10 Uhr. Nat, das Schiff wird euch um 6.00 Uhr rammen.«
    »Rammen? Wieso? Oh, ich verstehe ...«
    »Nat, sie können mich jeden Moment am Funkgerät erwischen. Was können wir tun? Schnell ...«
    »Kannst du genau um 5.35 Uhr für irgendeine Ablenkung sorgen?«
    »Eine Ablenkung?«
    »Leg ein Feuer, ruf ›Mann über Bord‹ – tu irgend etwas, um alle für ein paar Minuten zu beschäftigen!«
    »Hm – ich werde es versuchen –«
    »Gib dir Mühe. Ich möchte, daß alle herumlaufen und keiner genau weiß, was los ist. Gehören alle zum KGB?«
    »Ja.«
    »Okay. Also ...«
    Die Tür des Funkraums öffnete sich – Suza schaltete auf SENDEN, Dickstein verstummte, und David Rostow trat ein. »Wo ist Alexander?« fragte er.
    Suza versuchte zu lächeln. »Er hat sich Kaffee geholt. Ich vertrete ihn.«
    »Der verdammte Dummkopf ...« Er fluchte auf russisch weiter, während er hinausstürmte.
    Suza stellte den Schalter wieder auf EMPFANG.
    »Ich habe zugehört«, sagte Nat. »Du solltest dich bis 5.30 Uhr rar machen –«
    »Warte«, rief sie. »Was hast du vor?«
    »Was ich vorhabe? Ich hole dich ab.«
    »Oh. Oh, danke.«
    »Ich liebe dich.«
    Als sie abschaltete, war auf einem anderen Gerät eine Mitteilung in Morsecode zu vernehmen. Tyrin mußte jedes Wort ihrer Unterhaltung gehört haben, und nun würde er versuchen, Rostow zu warnen. Sie hatte vergessen, Nat von Tyrin zu berichten.
    Sie konnte versuchen, wieder mit Nat Kontakt aufzunehmen, aber das wäre sehr riskant. Außerdem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher