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Dreifach

Titel: Dreifach
Autoren: Ken Follett
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mitzuteilen. »Ich habe ein Vermögen gemacht. Juwelen, Porzellan, Antiquitäten – alles für Zigaretten und Seife gekauft. Die Deutschen sind am Verhungern. Und was das beste ist, die Mädchen lassen sich für ein Paar Nylonstrümpfe auf alles ein.« Er lehnte sich zurück und wartete auf ein Lachen, doch Dickstein verzog keine Miene. Aus der Fassung gebracht, wechselte Cortone das Thema. »Du bist jedenfalls nicht dick.«
    Er war zunächst so erleichtert darüber gewesen, daß Dickstein unversehrt war und immer noch so grinste wie früher, daß er ihn nicht genauer betrachtet hatte. Nun merkte er, daß sein Freund nicht nur schlank, sondern geradezu ausgemergelt war. Nat Dickstein war immer klein und schmal gewesen, aber jetzt schien er nur noch Haut und Knochen zu sein. Die totenbleiche Haut und die großen braunen Augen hinter den von Kunststoff eingefaßten Brillengläsern verstärkten den Eindruck. Zwischen seiner Socke und dem Umschlag seiner Hose zeigten sich ein paar Zentimeter seines blassen, spanartigen Schienbeins. Vier Jahre vorher war Dickstein braun und sehnig gewesen und so hart wie die Ledersohlen seiner britischen Armeestiefel. Wenn Cortone von seinem englischen Kumpel erzählte, was er oft tat, sagte er immer: »Der zäheste, gerissenste Kämpfer, der mir je mein verdammtes Leben gerettet hat – ohne Flachs.«
    »Dick? Nein«, entgegnete Dickstein. »Dieses Land ist immer noch auf eiserne Rationen gesetzt, Alter. Aber wir schaffen’s schon.«
    »Du hast schon Schlimmeres erlebt.«
    Dickstein lächelte. »Und Schlimmeres gegessen.«
    »Du bist gefangengenommen worden?«
    »Bei La Molina.«
    »Wie, zum Teufel, konnten sie dich bloß schnappen?«
    »Kein Problem.« Dickstein zuckte die Achseln. »Eine Kugel zerschlug mir das Bein, und ich wurde bewußtlos. Als ich zu mir kam, lag ich auf einem deutschen Lastwagen.«
    Cortone musterte Dicksteins Beine. »Es ist wieder gut zusammengeheilt?«
    »Ich hatte Glück. Auf meinem Gefangenenzug war ein Arzt – er richtete den Knochen ein.«
    Cortone nickte. »Und dann das Lager ...?« Vielleicht hätte er nicht fragen sollen, aber er wollte mehr wissen. Dickstein wandte den Blick ab. »Nichts Besonderes, bissie herausfanden, daß ich Jude bin. Möchtest du eine Tasse Tee? Whisky kann ich mir nicht leisten.«
    »Nein.« Cortone wollte, er hätte den Mund gehalten. »Morgens trinke ich sowieso keinen Whisky mehr. Das Leben kommt mir nicht mehr so kurz vor wie früher.«
    Dicksteins Augen schwenkten zu Cortone zurück. »Sie beschlossen, zu prüfen, wie oft man ein Bein an derselben Stelle brechen und wieder heilen lassen kann.«
    »Jesus.« Cortones Stimme hatte sich zu einem Flüstern gesenkt.
    »Das war noch das Beste«, sagte Dickstein tonlos. Er blickte wieder zur Seite.
    »Die Schufte.« Cortone fiel nichts anderes ein. Dicksteins Gesicht zeigte einen seltsamen Ausdruck, den Cortone noch nie an ihm gesehen hatte – etwas, was, wie er gleich darauf erkannte, an Furcht erinnerte. Merkwürdig. Schließlich war doch jetzt alles vorbei. »Tja, wenigstens haben wir gewonnen, oder?« Er knuffte Dicksteins Schulter.
    Sein Freund grinste. »Stimmt. Aber was treibst du hier in England? Und wie hast du mich gefunden?«
    »Ich bin auf der Rückreise nach Buffalo, konnte in London Zwischenstation machen. War beim War Office ...«
    Cortone zögerte. Er war zum War Office gegangen, um sich zu erkundigen, wie und wann Dickstein gestorben war. »Man gab mir eine Adresse in Stepney«, fuhr er fort. »Als ich hinkam, stand nur noch ein einziges Haus in der ganzen Straße. Darin fand ich – unter ein paar Zentimetern Staub – einen alten Mann.«
    »Tommy Coster.«
    »Richtig. Nachdem ich neunzehn Tassen schwachen Tee getrunken und mir seine Lebensgeschichte angehört hatte, schickte er mich zu einem anderen Haus um die Ecke. Dort traf ich deine Mutter, trank noch mehr schwachen Tee und hörte mir ihre Lebensgeschichte an. Als ich endlich deine Adresse hatte, war es für den letzten Zug nachOxford zu spät. Deshalb wartete ich bis heute morgen, und da bin ich. Ich habe nur wenig Zeit – mein Schiff legt morgen ab.«
    »Bist du schon entlassen?«
    »In drei Wochen, zwei Tagen und vierundneunzig Minuten.«
    »Was willst du machen, wenn du zu Hause bist?«
    »Mich um das Familiengeschäft kümmern. Ich habe in den letzten ein, zwei Jahren gemerkt, daß ich ein erstklassiger Geschäftsmann bin.«
    »Womit befaßt sich deine Familie? Du hast mir nie davon erzählt.«
    »Mit
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