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Drei Wunder (German Edition)

Drei Wunder (German Edition)

Titel: Drei Wunder (German Edition)
Autoren: Alexandra Bullen
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kaum zu öffnen und …
    »Verflixt!«, schimpfte Olivia, als sie mit einem Fuß geradewegs durch eine aufgerissene Holzdiele trat, die sich um ihren Knöchel schloss, und sie seitlich gegen die Wand stolperte.
    Anscheinend waren auch die Böden keine richtigen Böden.
    Nachdem sie sich wieder aus dem Unterboden befreit hatte, ließ sie ihre Tasche an der Treppe fallen und ging in die Küche. Die Heimfahrt von der Schule war beinahe anstrengender gewesen als der ganze Tag davor. Sie hatte in verschiedene Busse umsteigen müssen und war schließlich zehn Blocks zu weit in die falsche Richtung gefahren. Als sie es merkte, hatte sie beschlossen, den ganzen Weg zurückzulaufen.
    »Hey, O«, rief Mac Larsen, als Olivia in die Küche trat, und drehte die Lautstärke des Schwarz-Weiß-Fernsehers zurück, der gefährlich schräg über der Spüle stand. Er kniete auf der Anrichte, die Arme bis zu den Ellbogen in den Eingeweiden der Hängelampe versenkt. Mac war ein drahtiger Mann von durchschnittlicher Größe, der sich ständig in enge, schwer zugängliche Stellen quetschte, um einen besseren Blick auf ein Leck, eine Steckdose oder sonst was haben zu können.
    »Solltest du nicht lieber den Strom abschalten?« Olivia reckte den Hals, um die Hände ihres Vaters sehen zu können. Er drehte gerade eine kaputte Glühbirne heraus.
    »Unnötig«, stieß er hervor. »Wie war die Schule?«
    Olivia öffnete den Edelstahlkühlschrank, das einzige neue Gerät, das ihr Vater gekauft hatte, und überflog den Inhalt: verschiedene Behältnisse mit Resten von Take-away-Essen, zwei Flaschen Ketchup und eine einsame Zwiebel.
    »Okay«, antwortete Olivia, öffnete etwas Chinesisches und nahm sich ein paar Happen mit den Fingern. »Was ist mit dem Boden passiert?«
    Ihr Vater wischte sich den Staub an der Hose ab, ausgeblichene Jeans, die er seit dem College hatte, und streckte die Hand aus. »Welchem Boden?«
    Olivia reichte ihm die Schüssel. »Dem Boden, der vorher im Flur war«, erklärte sie, während er sich auf die Anrichte setzte.
    »Ich musste ihn aufmachen, um mir ein paar Rohre anzusehen«, erklärte Mac mit vollem Mund.
    Olivia nahm sich eine Plastikflasche Wasser von der mit Sägespänen übersäten Anrichte und bewegte sich wieder Richtung Flur, um in ihr Zimmer zu gehen.
    »Mom arbeitet heute länger«, rief Mac ihr nach.
    Olivia blieb im Flur stehen. »Schon wieder?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
    Ihr Vater sprang von der Anrichte. »Sieht so aus, als seien wir zum Essen nur zu zweit.«
    »Lassen wir uns etwas liefern?«, fragte Olivia, lehnte sich dabei gegen den abgebeizten Türrahmen und merkte, wie er unter ihrem Gewicht gefährlich nachgab.
    »Wonach ist dir denn?«
    Olivia zuckte mit den Schultern und sah ihrem Vater zu, wie er zum Kühlschrank ging. »Weißt du«, sagte er, »das gehört zu den Dingen in dieser Stadt, an die ich mich gewöhnen könnte. Du kannst alles essen, worauf du gerade Appetit hast. Chinesisch, Italienisch, Indisch, Sushi …«
    »Du hasst Sushi«, warf Olivia ein.
    »Und?«, fuhr ihr Vater ungerührt fort. »Trotzdem kann ich es hier selbst um Mitternacht bekommen. Zu Hause konntest du nachts nicht einmal einen Toast kriegen.«
    »Das stimmt.« Olivia nickte und versuchte, munter zu klingen. Ihr Vater hatte stets versucht, alles wiedergutzumachen, egal was es war. Als Olivia sechs war und beim Sprung aus dem Strandhaus der Familie auf der Insel Martha’s Vineyard ihren Knöchel in den Dünen verstaucht hatte, hatte Mac ihre Krücken mit Leuchtstreifen verziert. Als ihre Mutter, Bridget, wegen eines Prozesses für drei Wochen in Nord Carolina war, hatte Mac den Mädchen Reste von Wandfarbe gegeben und ihnen in ihren Zimmern freien Lauf gelassen. Und was noch wichtiger gewesen war, er hatte ihre künstlerische Wahl – himmelblau für Olivia und lachsfarben für Violet – verteidigt, als Bridget zurückkam.
    Doch die Sache mit Violets Tod konnte auch Mac nicht wieder in Ordnung bringen.
    »Hey«, rief Mac ihr noch einmal nach. »Die Schule. War es sehr schlimm?« Es war offensichtlich, dass er versuchte, eine beiläufige Unterhaltung zu führen. Doch sein Gesicht wirkte angestrengt, und seine Stimme klang, als hätte er gerade Glasscherben geschluckt.
    »Nicht so schlimm.« Olivia zwang sich, ruhig zu bleiben.
    »Schon irgendwelche Freundschaften geschlossen?«, fragte er.
    Olivia bekam Bauchschmerzen. Natürlich hatte sie noch keine Freundschaften geschlossen. Bis vor wenigen Wochen war sie
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