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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden
Autoren: Erich Maria Remarque
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kurzsichtigen Augen, die schmächtige Gestalt mit der eingefallenen Brust – verflucht – »na, mach's gut, Georgie.« Eltern hatte er auch nicht mehr.
     Die Küche. Ein ausgestopfter Wildschweinschädel. Erinnerung an den verstorbenen Zalewski. Das Telefon. Halbdunkel. Geruch nach Gas und schlechtem Fett. Die Korridortür mit den vielen Visitenkarten neben dem Klingelknopf. Meine auch. »Robert Lohkamp, stud. phil., zweimal lang klingeln.« Sie war gelb und schmutzig. Stud. phil. Hatte sich was! War lange her. Ich ging die Treppe hinunter zum Café International. Das International war ein großer, dunkler, verräucherter Schlauch mit mehreren Hinterzimmern. Vorn, neben der Theke, stand das Klavier. Es war verstimmt, ein paar Saiten waren gesprungen, und von den Elfenbeintasten fehlten auch einige; aber ich liebte den braven, ausgedienten Musikschimmel. Er hatte das Jahr meines Lebens mit mir geteilt, als ich als Stimmungsklavierspieler hier engagiert gewesen war.
     In den hinteren Zimmern des Cafes hielten die Viehhändler ihre Versammlung ab; manchmal auch die Rummelplatzleute. Vorn saßen die Huren.
     Das Lokal war leer. Nur der plattfüßige Kellner Alois stand hinter der Theke. »Wie immer?« fragte er.
     Ich nickte. Er brachte mir ein Glas Portwein mit Rum, halb und halb. Ich setzte mich an einen Tisch und sah gedankenlos vor mich hin. Ein grauer Streifen Sonne kam schräg durch das Fenster. Er fing sich in den Schnapsflaschen auf den Regalen. Der Cherry-Brandy glühte wie ein Rubin.
     Alois spülte Gläser. Die Katze des Wirtes saß auf dem Klavier und schnurrte. Ich rauchte langsam eine Zigarette. Die Luft machte schläfrig. Eine sonderbare Stimme hatte das Mädchen gestern gehabt. Dunkel, etwas rauh, fast heiser, aber doch weich. »Gib mir mal ein paar Magazine, Alois«, sagte ich.
     Da knarrte die Tür. Rosa kam. Rosa, die Friedhofshure, genannt das Eiserne Pferd. Den Beinamen hatte sie, weil sie so unverwüstlich war. Sie wollte eine Tasse Schokolade trinken. Die leistete sie sich jeden Sonntagmorgen hier; dann fuhr sie nach Burgdorf, um ihr Kind zu besuchen.
     »Servus, Robert.«
     »Servus, Rosa. Was macht die Kleine?«
     »Will mal sehen. Hier – das bring' ich ihr mit.«
     Sie packte aus einem Paket eine Puppe mit roten Backen und drückte ihr auf den Bauch. »Ma-ma«, quäkte die Puppe. Rosa strahlte.
     »Fabelhaft!« sagte ich.
     »Paß mal auf.« Sie beugte die Puppe nach hinten. Mit einem Klapp schlössen sich die Augen.
     »Unerhört, Rosa.«
     Sie war befriedigt und packte die Puppe wieder weg. »Du verstehst was von solchen Sachen, Robert. Wirst mal ein guter Ehemann.«
     »Na, na«, sagte ich zweifelnd.
     Rosa hing an ihrem Kinde. Bis vor einem Vierteljahr, solange es noch nicht laufen konnte, hatte sie es bei sich in ihrem Zimmer gehabt. Das ging, trotz ihres Berufes, weil nebenan ein kleiner Verschlag war. Wenn sie dann mit einem Kavalier abends ankam, ließ sie ihn unter irgendeinem Vorwand einen Augenblick draußen warten, ging rasch voran, schob den Kinderwagen in den Verschlag, schloß die Tür und ließ den Kavalier eintreten. Aber im Dezember mußte die Kleine zu oft aus dem warmen Zimmer in den ungeheizten Verschlag. So kam es, daß sie sich erkältete und oft weinte, wenn gerade jemand da war. Rosa mußte sich von ihr trennen, so schwer es ihr auch wurde. Sie gab sie in ein teures Kinderheim. Dort galt sie als honette Witwe. Sonst hätte man das Kind nicht angenommen.
     Rosa erhob sich. »Du kommst doch Freitag?«
     Ich nickte.
     Sie sah mich an. »Du weißt doch, was los ist?«
     »Natürlich.«
     Ich hatte keine Ahnung, was los war; aber ich hatte auch keine Lust, danach zu fragen. Das hatte ich mir hier so angewöhnt in dem Jahr als Klavierspieler. Es war immer am bequemsten. Ebenso wie ich zu all den Mädchen du sagte. Das ging gar nicht anders.
     »Servus, Robert.«
     »Servus, Rosa.«
     Ich saß noch eine Weile. Aber ich hatte nicht die richtige schläfrige Ruhe wie sonst, wenn das International so eine Art Sonntagsheimat für mich war. Ich trank noch einen Rum, streichelte die Katze und ging dann.

    Tagsüber trieb ich mich umher. Ich wußte nicht recht, was ich machen sollte, und hielt es nirgendwo lange aus. Am späten Nachmittag ging ich in unsere Werkstatt. Köster war da. Er arbeitete an dem Cadillac. Wir hatten ihn vor einiger Zeit für einen Spottpreis alt gekauft. Jetzt war er von uns gründlich überholt worden, und Köster gab ihm gerade den
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