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Drei Generationen auf dem Jakobsweg

Drei Generationen auf dem Jakobsweg

Titel: Drei Generationen auf dem Jakobsweg
Autoren: Pia Stein
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Kilometer später. Dieser Erkenntnis aber möchte ich jetzt nicht vorgreifen, sondern zum besagten Zeitpunkt berichten.
    Am Abend, als Larissa und Franziska bereits im Bett lagen, standen mein Mann und ich vor unserem Hotel und schauten über die Landschaft von Roncesvalles, wo sich langsam der Nebel über Berg und Wald verdichtete und nur noch einige dunkle Tannenspitzen in den Nebelschwaden zu erkennen waren. Es war sehr kühl, sodass sich die Nässe des Nebels auf unserer Haut ablegte. Am Blick meines Mannes konnte ich erkennen, dass er gedanklich weit weg, oder besser gesagt gerade wieder auf Zeitreise war. Auf meine Frage, was er sehe, gab er an, dass er sich gerade 1200 Jahre zurückversetze und er vermute, dass der Ort damals nicht viel größer war als heute. In der Senke hingen dicke Nebelschwaden. Dort hörte er das Stampfen und Schnauben von Hunderten von Pferden sowie das Scheppern und Kratzen von Rüstungen und Schwertern. Auch sah er den berühmten Ritter Roland (der später in dem gleichnamigen Lied besungen wird), Neffe Kaiser Karls des Großen, wie er mit der Nachhut des Kaiserheeres, vermutlich von den Basken überfallen, hier niedergemacht wurde. Schreckliche Vorstellung! Es war zwar interessant, meinem Mann zuzuhören, aber da mich immer mehr fröstelte, holte ich ihn wieder in die Gegenwart und wir gingen zurück ins Hotel. Mein Mann, bedingt durch sein großes geschichtliches Wissen, kann sich von einer Minute auf die andere auf Zeitreise begeben. Als wir vor zwei Jahren in unserem Urlaub in Kuba am Strand lagen und ich nichts anderes sah als das weite Meer der Karibik, versetzte er sich 500 Jahre zurück und erzählte von Indianern, die plötzlich große schwimmende Vögel auf die Insel zufliegen sahen. In Wirklichkeit war es Kolumbus mit seinen Caravellen , Nina, Pinta und Santa Maria.

21. Mai 2011 Roncesvalles über Zubiri nach Larrasoaña (30 km)
    Heute wurde es wirklich ernst. Aufstehen um halb sieben und zügig frühstücken . Zwei Tassen Kaffee, Toast, Wurst, Käse, Joghurt, alles, was das Herz begehrt. Fast wie zu Hause. Was wird uns künftig erwarten ?, dachte ich, als Franziska auf uns zustürmte und ihrem Opi und ihrer Omi einen guten Morgen wünschte. Meine Tochter war seltsam leise, auch ihr werden so manche Gedanken durch den Kopf gejagt sein. Das Frühstück war dann schnell beendet und so schnürten wir unsere Trekkingschuhe und unsere Rucksäcke, füllten unsere Wasserflaschen, schnappten unsere Wanderstöcke, unsere Cowboy-Hüte, das Kind und die Kinderkutsche (warum Kinderkutsche erklärt sich im Laufe des Weges) und verließen, noch ein letztes Bild machend, Roncesvalles in Richtung Santiago de Compostela. Gleich am Ortsausgang stand ein Schild mit der Aufschrift:

    Santiago de Compostela 790 km

    Wir freuten uns, endlich ging es los. Endlich auf dem Camino! Das Abenteuer konnte beginnen. Was sind schon 790 km zu Fuß? Doch gar nix. Heute mussten wir davon ja nur 30 Kilometer gehen. Unser Etappenziel hieß Larrasoaña. Zuerst gingen wir die Straße entlang, vorbei an dem oben genannten Schild, welche schnell in einen Waldpfad mündete. Durch einen dichten Laubmischwald, dessen frischer Geruch uns um die Nase wehte, ging es recht zügig den Orten Auritz und Aurizberri entgegen. Da unsere Enkelin bereits ihren Vormittagsschlaf in ihrem Wagen abhielt, konnten wir so richtig Kilometer machen. Meine Tochter gab Vollgas. Von hinten sah man nur einen riesigen Rucksack mit zwei Beinen, links und rechts neben den Beinen sah man zwei Reifen der Kinderkutsche.
    Die Strecke in den Pyrenäen war in unserem Reiseführer als mittelschwer deklariert, was für Fußpilger ohne Kinderwagen unweigerlich stimmte, sich aber für meine Tochter und uns, mit Kinderkutsche, als echte Herausforderung darstellte. Über Stock und Stein, teilweise war der Weg gepflastert, teilweise mit nicht enden wollenden Treppen versehen und teilweise lagen riesige Steine auf den ohnehin schmalen Wegen. Ständig ging es bergauf und bergab. So mussten wir zeitweise zu zweit schieben oder bergab auch zu zweit bremsen. An vielen Stellen musste der Vorderreifen von einem von uns (das machte mein Mann) hochgehoben und von einem anderen (meistens meiner Tochter) am anderen Ende geschoben werden. Es kam auch vor, dass mein Mann und meine Tochter unsere Kleine wie in einer Sänfte über Stock und Stein tragen mussten. Ich dachte so für mich, und das ist erst der Anfang. Mein Rucksack hing wie Blei an meinen Schultern, aber
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