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Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Titel: Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
Autoren: Delia Ephron
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heraussprudelt. Sie versorgt die beiden Frauen und entdeckt Servietten, Chips, Salzbrezeln und sogar ein Glas mit Maraschinokirschen. Sie lässt ein paar Kirschen in ihre Pepsi fallen.
    »Woher kommst du eigentlich?«, erkundigt sich Tracee bei Lana.
    »Wovon redest du? Du wohnst im Haus nebenan, seit wir fünf Jahre alt sind. Spinnst du?«
    »Entschuldige mich bitte«, sagt Tracee zu Rita.
    Sie beugt sich über die Theke zu Lana und flüstert: »Ich habe Konversation gemacht, weil ich dachte, wir könnten auf diese Weise etwas über sie herausfinden, weißt du. Erst frage ich dich, und du erzählst es uns, und dann entspannt sie sich und erzählt auch etwas. Ich glaube nämlich, am liebsten würde sie uns gar nichts erzählen.«
    »Aber wir wollen doch ihr nichts erzählen«, sagt Lana.
    Rita will sich nicht aufdrängen und den jungen Frauen ein ungestörtes Gespräch ermöglichen, daher schiebt sie sich auf dem Drehhocker herum und erstarrt. Weiter weg, in der tintenschwarzen Dunkelheit, bemerkt sie die hellen Augen eines großen Tieres. Die Augen sind gelb, die Pupillen große schwarze Kreise. Unbewegt, etwas schräggestellt und so weit auseinander, dass sie vielleicht gar nicht zusammengehören, leuchten die Augen wie Lichter im Nebel, unbestimmt und geheimnisvoll.
    Rita gleitet vom Stuhl und geht langsam auf die Augen zu.
    Lana und Tracee drehen sich ebenfalls um. Tracee schlägt sich mit der Hand auf den Mund, um ein Kreischen zu ersticken. Lana wird ganz still vor Schreck, und zwar nicht nur, weil ihr klar wird, dass etwas Gefährliches im Raum ist, sondern auch, weil Rita darauf zugeht.
    Rita macht langsame, aber entschlossene Schritte. Es ist, als würde sie magnetisch angezogen. Der Schwerkraft zu widerstehen wäre einfacher.
    Lana versetzt der Kühlschranktür einen Tritt, sodass sie sich weiter öffnet. Der trübe Schein aus dem Gerät reicht, um die schattenhafte Gestalt eines Löwen sichtbar werden zu lassen. In einem riesigen Käfig. Dicke schwarze Stäbe reichen wie Stacheln fast bis zur Decke.
    Der Löwe steht im Käfig und beobachtet Rita.
    Wie hypnotisiert starrt Rita ihn an.
    Sie dreht sich um und lächelt Lana und Tracee zu.
    Der Löwe brüllt.
    Die Frauen schreien und rennen los, stoßen irgendwo dagegen, stürzen zum Fenster und wollen sich alle gleichzeitig hindurchquetschen.
    Lana zerrt an Tracee. »Lass Rita zuerst hinaus, das gehört sich so.«
    Rita krabbelt hinaus. Tracee bleibt beinahe stecken, aber Lana schiebt sie hindurch und springt dann mit einem einzigen Satz hinterher.
    Eine Zeit lang liegen sie alle drei schnaufend auf dem Boden.
    »Das war ein Löwe!«, stellt Lana endlich fest. »Ist so etwas eigentlich erlaubt?«
    »In diesem Teil des Landes spielt das keine Rolle«, erklärt Rita.
    Tracee fragt: »Warum bist du auf ihn zugegangen?«
    »Was?«, sagt Rita.
    »Du bist direkt auf ihn zugegangen.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Du hast doch Angst vor der Dunkelheit.«
    »Ja, stimmt.«
    »Er hat nach altem Popcorn gerochen«, sagt Lana. »Sobald wir ihn gesehen haben, hatte ich den Geruch in der Nase. Er hat einen so großen Kopf. Diese Mähne!«
    »Wie bei einem wilden Mann«, sagt Rita.
    »Aber warum hast du gelächelt?«, will Tracee wissen. »Das war so seltsam.«
    Rita denkt nach, und dann fällt ihr wieder ein, was sie beim Anblick des Löwen gespürt hat. Sie fühlt es auch jetzt wieder, etwas rührt sich in ihr. Noch ist es kaum fassbar, aber für die meisten Menschen wäre es sofort zu erkennen: das Gefühl, dass etwas Neues beginnt. Rita jedoch sind Abenteuer und allein der bloße Gedanke daran so fremd, dass sie den Unterschied zwischen einer Verheißung und Bauchweh nicht erkennen kann.
    »Ich weiß nicht«, sagt sie noch einmal. Sie kann nur das Offensichtliche aussprechen. »Er war erstaunlich.«

6
    »Wir müssen wieder rein«, sagt Lana, und als Tracee protestiert, erklärt sie, dass es draußen kalt ist und sich der Löwe in einem Käfig befindet. »Wenn ein Tier in einem Käfig sitzt, kann es uns nichts tun, oder?«
    Das ist eigentlich logisch, aber so ganz überzeugt sind sie alle nicht. Trotzdem sind sie zehn Minuten später wieder drinnen, drücken sich flach gegen die Wand und bewegen sich vorsichtig und langsam, um die Aufmerksamkeit der großen Raubkatze nicht auf sich zu ziehen. Der kleine Kühlschrank steht noch immer offen und spendet Licht. Sie sehen, dass in den Käfig auf äußerst dilettantische Weise eine Höhle aus Verbandsgips hineingebaut wurde, in der
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