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Drei Engel für Armand

Drei Engel für Armand

Titel: Drei Engel für Armand
Autoren: Jim C. Hines
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Whiteshore Castle zierten. Die weiße Taube kam heruntergeflattert und landete auf dem Fenstersims neben ihrem Arm.
    Danielle lachte. »Tut mir leid, ich habe nichts für dich! Du hast dich doch schon an den übrig gebliebenen Muff ins, Plätzchen und dem Stück Schinkensandwich gütlich getan, die ich gestern hochgeschmuggelt habe. Wenn ich dir noch mehr gebe, bist du bald zu fett zum Fliegen!«
    Die Taube öffnete den Mund und gurrte erneut; offensichtlich machte sie sich keine Gedanken über solche Eventualitäten.
    »Eure Hoheit?«
    Danielle fuhr zusammen und die Taube schlug ungehalten mit den Flügeln.
    Eine Dienerin stand in der Tür, in einer Hand ein hölzernes Tablett. Darauf lag in der Mitte ein Schneidebrett mit Brot, reich belegt mit glasierten Kirschen und Erdbeeren. Daneben stand ein Bronzekelch.
    »Guten Morgen, Talia.«
    Die Morgensonne schien auf ihre braune Haut. Ihre Stimme war rein und sanft, fast melodisch. Nur ein kaum merklicher Akzent, eine leichte Hervorhebung der längeren Vokale, unterschied ihre Worte von denen einer einheimischen Inselbewohnerin. Danielle vermutete, dass sie aus den aratheanischen Wüsten im Süden stammte. Bisher hatte Talia nie auf Danielles ungezwungene Art reagiert.
    Die Hälfte der Adligen, die sie jeden Tag besuchten, konnte Danielle sich immer noch nicht merken, aber sie wusste die Namen sämtlicher Dienstboten im Palast. Manche fühlten sich unwohl mit der Natürlichkeit der Prinzessin, während andere begonnen hatten, sich in ihrer Gegenwart zu entspannen.
    Talia passte in keine der beiden Kategorien. Obwohl sie nur wenig älter sein konnte als Danielle selbst mit ihren achtzehn Jahren, bewirkte etwas in ihrem Verhalten, dass die Prinzessin sich in ihrer Gegenwart wie ein Kind vorkam. Sie neigte den Kopf leicht, jeder Zoll die tadellose Dienerin, aber ihre dunklen Augen begegneten Danielles Blicken ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich dachte, Ihr würdet vielleicht einen Imbiss zu schätzen wissen.«
    Auf dem Fenstersims gurrte der Täuberich und kam näher gehüpft. Danielle funkelte ihn mit gespieltem Verdruss an. »Hast du das arrangiert?«
    »Hoheit?« Talia blickte erstaunt auf die Taube und wusste offenbar nicht, was sie von einer Prinzessin halten sollte, die mit Vögeln redete.
    »Danke für das Essen«, sagte Danielle. »Ich weiß deine Fürsorglichkeit zu würdigen.«
    Talia nickte und trug das Tablett ums Bett herum. Mit ihrer freien Hand stapelte sie Danielles Bücher auf einer Seite des Nachttischs auf und setzte anschließend das Tablett ab, so ruhig, dass sich der Wein im Kelch kaum kräuselte.
    Durch die Bewegung rutschten Talias Ärmel nach oben und enthüllten blasse Narben quer über ihrem rechten Unterarm. Talia bemerkte Danielles Blicke, machte sich aber nicht die Mühe, ihr Hemd zurechtzurücken. Stattdessen ging sie zum Bett, zog die Decken glatt und fügte Des Sterblichen Wegweiser zur Höflichkeit im Elfenland dem Stapel auf dem Tisch hinzu.
    »Mach dir keine Umstände«, sagte Danielle. »Ich kann –«
    »Ihr seid Prinzessin von Lorindar, Eure Hoheit«, schnitt Talia ihr das Wort ab, »nicht irgendein ascheüberzogenes Sklavenmädchen aus der Stadt.«
    Danielle errötete und drehte sich weg. Alle im Palast kannten ihre Vergangenheit, auch wenn ihr gegenüber niemand ein Wort darüber verlor. Binnen Tagen nach dem Winterball hatten sich die Gerüchte in der Stadt verbreitet und waren mit jedem neuerlichen Erzählen wilder geworden; sie hatte sich aus dem Haus geschlichen, um den Ball zu besuchen – nein, sie hatte eine Kutsche gestohlen – nein, sie war in einem verzauberten Kürbis hingefahren, der von Riesenmäusen gezogen wurde!
    Danielle hatte beinah einen Erstickungsanfall bekommen, als sie diese letzte Version gehört hatte.
    Sie schnappte sich das Brot, riss etwas Kruste ab und warf sie zum Fenster. Die alte weiße Taube flatterte auf, um sie zu fangen, bevor sie zu Boden fiel. Mit dem Brot im Schnabel flog der Vogel hoch und ließ sich auf einem Gobelin links vom Fenster nieder. Krümel fielen an der alten Webarbeit, einer verblassten Darstellung aus dem Mittsommerkrieg, vorbei. Der kleine Bildteppich zeigte Elfen und ihre verzauberten Diener, die am Rand einer gewaltigen Schlucht standen und von gepanzerten Rittern und Menschenzauberern bedrängt wurden.
    Ein alter Weinfleck ließ ein Geplänkel zwischen Menschenkavallerie und einem Greifenpaar noch blutiger erscheinen. Danielle fuhr mit einem Finger über den Fleck.
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